KOLUMNE

Gib‘s einfach zu…

von Redaktion

Drei Spitzenköche unterwegs auf einem Roadtrip in den USA – in einem Wohnmobil. Sie kaufen ein, um sich etwas zu kochen, denn nur Restaurantbesuche ist nicht. Der Fernsehsender, der die drei auf ihrer Tour begleitet, filmt gleich zu Anfang eine Schlüsselszene. Zwei der Männer besorgen Eier, um Mayonnaise zu machen. Der dritte will fertige Mayonnaise haben. Man ist ja in den Staaten. Außerdem möchte er sich keine Salmonellenvergiftung einfangen. Den anderen beiden ist das bei aller Blödelei peinlich. Unmöglich, dass ein Küchencrack sich herablässt, solches Zeug zu essen. Noch dazu in der Öffentlichkeit.

Eine Schlüsselszene ist das, weil es auch bei Normalsterblichen oft so läuft. Was werden die Leute sagen, wenn du, wir, ich… In meinem Elternhaus war das stehende Redewendung. Das verliert sich nicht so schnell, selbst wenn sich die Maßstäbe ändern für das, was geht – und in welchem Umfeld man sich bewegt. Nicht im Leben hätte ich in meiner Jugendzeit zugegeben, dass ich heimlich Howard Carpendale höre. Für einen Stones-Fan elend peinlich. Heute sage ich nur meiner besten Freundin, dass ich in Ausnahmesituationen – wirklich nur in solchen! – mal einen Blick in einen Rosamunde Pilcher-Film werfe. Sonst sehe ich natürlich Anspruchsvolles auf Arte.

Bei Bewerbungsgesprächen wird auf die immer wiederkehrende Frage nach Schwächen gerne mit: „Ich bin sehr ungeduldig“, wahlweise „ich bin Perfektionistin“ geantwortet. Natürlich insinuiert man damit beim Wahlgremium, dass man beständig schnell arbeitet und keine Fehler macht oder duldet. Was mehr? Ich wünsche mir mehr. Und viele andere auch. Damit Kommunikation gelingt. Um Missverständnissen vorzubeugen: Man sollte nicht privat mit persönlich verwechseln. Niemand darf sich gezwungen fühlen, sich vor anderen zu „entblättern“ und sein Innerstes permanent öffentlich zu machen. Das bekommt keinem Menschen gut.

Aber warum soll man nicht erzählen, wann man es sich einfach macht und wann ganz schwer? Es ist entlastend, wenn der Spitzenkoch verrät, dass er gekaufte Mayo ausprobiert. Weshalb sollte jemand verschweigen, dass er hoffnungsvoll romantisch oder zutiefst besorgt ist – und sie in dieser trüben Zeit gelegentlich anderthalb Stunden absehbare Heile-Welt-Geschichten genießt? Oder bei den Nachrichten weint, weil sie das Elend dieser Welt abbilden? Wir sind vielseitige Menschen mit einer großen Bandbreite an Gedanken und Gefühlen. Durch Aufrichtigkeit im Kleinen und im Großen werden wir nahbar und zeigen Herz.

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