Auch gestern demonstrierten Bürger spontan für Vielfalt und Demokratie vor dem Café.
Hakenkreuze, NS-Parolen und Drohungen wurden an das Café Bernhofer in Wolfratshausen geschmiert. © Sabine Hermsdorf-Hiss (2)
Wolfratshausen – Dietlind Diepen war eine der Ersten, die die Schmierereien entdeckte. Die Seniorin schlenderte gestern Morgen in die Wolfratshauser Altstadt und blieb schockiert stehen, als sie das Café Bernhofer sah. Sieben große Hakenkreuze waren an die Fensterscheiben und die Fassade geschmiert. Schon wieder. Erst am Donnerstag hatte das homosexuelle Ehepaar Bernhofer NS-Symbole und den Schriftzug „Fuck LGBTQ“ an seiner Schokoladen-Manufaktur entdeckt. LGBTQ ist ein Sammelbegriff für lesbische, schwule, bisexuelle, transgeschlechtliche und queere Menschen. Für das Wochenende hatten Bürger, Lokalpolitiker und Bündnisse eine Mahnwache organisiert, um sich solidarisch hinter das homosexuelle Ehepaar zu stellen. Keine 48 Stunden später prangt an dem historischen Gebäude erneut ein Schriftzug: „Wir kommen wieder. Scheiß Schwuchtel.“
Die Seniorin Dietlind Diepen eilte sofort nach Hause und kam kurze Zeit später mit Reinigungsbenzin und drei Lumpen zurück, um die Hakenkreuze und einen Heil-Hitler-Schriftzug von den Fensterscheiben zu entfernen. Sie war nicht die erste, die nicht tatenlos bleiben wollte. Ein weiterer Passant hatte Nazi-Schmierereien an der Fassade der Schokomanufaktur der Bernhofers entdeckt und dort mit Klopapier und Klebeband verdeckt. „Klopapier ist die passende Antwort“, sagt er.
Die Wolfratshauser Polizei hat am Montagvormittag von dem Vorfall erfahren. Sie will nun die Präsenz in Wolfratshausen verstärken und erhält dafür Unterstützung aus den umliegenden Revieren. Im Ort ist die Empörung gewaltig, einige Bürger fordern sogar eine Videoüberwachung für die Altstadt. „Man muss doch herausfinden, wer so etwa macht“, sagt einer. Schon am Donnerstag war die Bestürzung unter den Bürgern riesengroß gewesen. „Die beiden Männer sind so nette Menschen, die niemandem etwas tun. Sie bereichern unsere Stadt“, sagt Nicolle von Pieverling, die fassungslos war, als sie das Schaufenster sah. Die Chocolatiere Georg und Chris Bernhofer hatten den Laden vor über sieben Jahren eröffnet.
Schon vor einigen Wochen hatte es im selben Landkreis einen ähnlichen Fall gegeben. Das Haus einer Geretsriederin wurde mit Hakenkreuzen und NS-Parolen beschmiert. Die 74-Jährige ist eine politisch linke Aktivistin. Die Polizei ermittelt. Man nehme diese Fälle sehr ernst, heißt es. Aktuell hoffen die Beamten auf Hinweise von Augenzeugen.
150 Menschen hatten am Samstag an der Mahnwache teilgenommen. Und einige von ihnen kamen auch gestern zu dem Café, um für Demokratie und Toleranz zu demonstrieren und Solidarität mit den Bernhofers zu zeigen. Der Wolfratshauser Bürgermeister Klaus Heilinglechner hatte auf Facebook einen Text veröffentlicht: „Es macht mich nicht nur traurig, sondern fassungslos, solche verabscheuungswürdigen Schmierereien an Fassaden von völlig unbescholtenen Geschäften und sozialen Organisationen zu sehen“, schrieb er. Denn auch am Pumpenhäuschen, von wo aus der Verein „Bürger für Bürger“ seine Angebote organisiert, fanden sich Nazi-Symbole. Heilinglechner betont: „Wolfratshausen ist bunt und soll es auch bleiben.“
Das Café und die Schokoladenmanufaktur der Bernhofers sind aktuell wegen eines bereits länger geplanten Betriebsurlaubs geschlossen. Das Ehepaar war gestern nicht für ein Gespräch zu erreichen.
DOMINIK STALLEIN