Durch die Hölle von Auschwitz

von Redaktion

Max Kronawitter zeigt seinen letzten Film über den Holocaust-Überlebenden Peter Gardosch

Dreharbeiten in Kaufering: Filmemacher Kronawitter (r.) interviewt den Holocaust-Überlebenden Peter Gardosch. Er war als Kind dort im KZ-Außenlager. © Ikarus

München – „Ich hab in meinem Leben nur Glück gehabt.“ Es läuft einem kalt den Rücken herunter, wenn Peter Gardosch diesen Satz in die Kamera sagt. Denn der alte Herr, ein echter Grandseigneur mit 92 Jahren, hat ein Leben hinter sich, in dem er mehrfach dem Tod ins Auge geschaut hat. Gardosch hat die Hölle von Auschwitz überlebt. Als 13-Jähriger hat er gelernt, in den schlimmsten Situationen das Gute zu sehen.

Max Kronawitter hat 2022 einen Film über den Auschwitzüberlebenden gedreht. „Max, Du musst Dich beeilen, mein Herz ist nicht so gut“, hatte der gebürtige Rumäne den Filmemacher gedrängt. Doch Gardosch starb am 16. November 2022. Zwei Wochen, bevor das eineinhalbstündige Porträt als Vorpremiere in Fürstenfeldbruck und Landsberg gezeigt wurde. Zwei Wochen nach der Präsentation schlug dann das Schicksal bei Kronawitter zu: Bei ihm wurde ein Hirntumor diagnostiziert. Alle Pläne für weitere Vorführungen seines Films platzten. Alles drehte sich nur noch um Operation, Therapie und Behandlung.

„Ich möchte meinen letzten Film noch zu meinen Lebzeiten ins Kino bringen“, ist ein Herzenswunsch des 62-Jährigen, der nach der OP derzeit gesundheitlich stabil ist. Am 26. Januar wird der Film „Das bewegende Leben des Peter Gardosch“ um 10 Uhr im City Atelier-Kino, Sonnenstraße 12a, in München gezeigt. Das Datum ist bewusst gewählt: Ein Tag vor dem Auschwitz-Gedenktag – am 27. Januar vor 80 Jahren ist das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit worden.

Gardosch wird in eine gutbürgerliche jüdische Familie in Neustadt an der Miresch in Siebenbürgen geboren. Mit seinen Eltern, Großeltern und seiner kleinen Schwester wird er im Sommer 1944 nach Auschwitz deportiert. Damals ist er 13 Jahre alt. Mutter, Schwester und seine Großeltern werden direkt nach der Ankunft umgebracht. Peter Gardosch und sein Vater überleben. Der Bub, weil er den Mantel seines Großvaters trägt, dadurch älter wirkt und vorgibt, 17 Jahre alt zu sein. Vater und Sohn haben wieder Glück, melden sich für ein Arbeitslager und kommen nach 19 Tagen ins KZ-Außenlager Kaufering III (Kreis Landsberg). „Im Vergleich zu Auschwitz war Kaufering idyllisch“, erinnert sich Gardosch etwa an die Hängegeranien am Bahnhof. Er wird Gehilfe des Lagerkommandanten.

Mit seinem Vater wird er im April 1945, als die Amerikaner näher rücken, auf den Todesmarsch geschickt. Dort gelingt beiden die Flucht. Im Kloster Fürstenfeld werden sie versteckt. Gardosch macht sein Abitur in seiner Heimat, arbeitet als Journalist beim Rundfunk, heiratet und gründet eine Familie. Er wandert nach Israel aus – sein Lebensglück findet er aber später, ausgerechnet in Deutschland mit seiner zweiten Frau. Ramona, einer Deutschen. Ihr erzählt er erst viele Jahre nach der Heirat von seiner Vergangenheit. Sie bestärkt ihn darin, seine Erlebnisse aufzuschreiben.

Im August 2022 saßen Ramona und Peter Gardosch im Wohnzimmer von Max Kronawitter in Eurasburg. Gardosch nahm immer wieder die Hand seiner Frau, während sie den Film ansahen. „Als der Film zu Ende war, war zuerst Schweigen. Dann drehte er sich um zu mir und sagt: Max, Du bist großartig, aber ich bin auch nicht schlecht.“ Kronawitter lacht: „Typisch Peter.“

Die Begegnung mit Peter Gardosch hat bei Kronawitter tiefen Eindruck hinterlassen. Auf der Reise zu den Drehorten Auschwitz, Israel, Rumänien hatte sich zwischen beiden eine echte Freundschaft entwickelt. „Er hat mich aufgenommen, wie ich es noch nie erlebt hatte.“ Viele andere Überlebende hätten eine gewisse Reserviertheit gezeigt. Bei Gardosch genau das Gegenteil. Der Dokumentarfilm zeichnet in bewegenden Bildern das außergewöhnliche Leben dieses Mannes nach. Wie der über 90-jährige Mann mit einem kleinen elektrischen Rollstuhl über die holprigen Wiesen des früheren KZ-Außenlagers Kaufering fährt, mit seiner gebrechlichen Hand einen Stein auf eine der Erdbaracken legt: Das sind Bilder von einer ungeheuren Zartheit. Zugleich ist der Film ein atemberaubendes Zeugnis eines Holocaust-Überlebenden, der ausgerechnet in Deutschland wieder eine Heimat gefunden hat.

„Das ist eine Geschichte, die erzählt werden muss“, ist sich Kronawitter sicher. Seine Idee, den Film im Landtag zum Auschwitz-Gedenktag zu zeigen, scheiterte am Desinteresse der Politik. „Dann mache ich es selber.“ Gardoschs Fähigkeit, in allem das Positive zu sehen, macht sich der Filmemacher auch in seiner eigenen Krankheitsgeschichte zu eigen. „Trotz dieses Tumors erlebe ich täglich so viel Positives. Ich kann auch sagen: Ich habe unheimliches Glück. Da ist Peter mir unheimlich zum Vorbild geworden.“

Kronawitter hofft, dass der Film, der über seine Filmproduktionsfirma Ikarus bestellt werden kann (www.ikarus-film.de), auch für Schulen und Bildungseinrichtungen interessant wird. Um das Zeugnis von Peter Gardosch zu bewahren.
CLAUDIA MÖLLERS

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