Immer weniger Menschen sind den christlichen Kirchen verbunden. Die Religiosität sinkt. © PantherMedia
München – „Wir müssen den Tatsachen ins Gesicht schauen“, sagt Beate Gilles, die Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Und diese Zahlen sind für die katholische, aber auch die evangelische Kirche in Deutschland nicht gerade erfreulich. Bei der Präsentation eines interaktiven, ökumenischen Kirchenatlas, der nach einer ersten gemeinsamen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) erstellt worden ist, zeigt sich „der Vertrauensverlust der Kirchen – besonders auch infolge des Missbrauchsskandals – deutlich“.
Dieser Kirchenatlas (www.oekumenischer-kirchenatlas.de) liefert bis auf die Ebene der Stadt und Landkreise, aber auch auf Bistums- und Landeskirchen-Ebene, statistische Zahlen über Taufen, Trauungen (mit Zuordnung der Konfessionen) und Bestattungen (im Verhältnis zu den Todesfällen), gibt also einen detaillierten Überblick über die Kirchenbindung.
„Die Untersuchung führt uns vor Augen, wie stark die Prozesse der Säkularisation in unserer Gesellschaft fortgeschritten sind“, so Gilles. Wenn sich selbst für viele Kirchenmitglieder die Frage nach Gott nicht mehr stelle und der Glaube kaum noch eine Relevanz für das eigene Leben habe, sei das für die Kirchen mehr als eine Problemanzeige. Wir würden uns in die Tasche lügen, wenn wir meinten, uns einfach mit einem Angebot besser auf die Menschen einstellen zu müssen, und dann wäre alles in Ordnung.“ Gilles sieht eine „Krise des religiösen Glaubens, der religiösen Erfahrung“, bei der Reparaturen an kirchlichen Strukturen nicht ausreichten. Die Zahlen zeigen, dass sich die Situation der Kirchen im Osten Deutschlands auf niedrigem Niveau stabilisiert, sich im Westen aber die Entkirchlichung beschleunige. Edgar Wunder vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) prognostiziert, dass die „bloße Zahl der Kirchenmitglieder im Westen innerhalb der nächsten 15 Jahre auf dem Ostniveau sein“ werde.
Die Untersuchung, für die 5282 Menschen befragt wurden, zeigt eine Milieu-Veränderung: „Je moderner ein Milieu, umso geringer die Religiosität der Personen“, betont Todias Kläden von der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral. Kirchliches Leben werde heute durch höher Gebildete geprägt. „Menschen mit geringerer formaler Bildung kommen nur noch wenig vor.“ Zugespitzt könne man heute von einer „Kirche von oben“ sprechen. Aus theologischen und gesellschaftlichen Gründen seien daher Anstrengungen notwendig, aus dieser Spirale auszubrechen. Beide Kirchen sind sich einig, dass ihre Rolle auch bei sinkenden Mitgliedzahlen wichtig bleibe, zumal ein großer Teil des ehrenamtlichen Engagements von kirchlichen Netzwerken getragen werde. „Wir verlieren als Christen nicht unseren Auftrag, die frohe Botschaft anzubieten, Menschen zu begleiten“, sagt Gilles.
CLAUDIA MÖLLERS