Die neue Lust aufs Reisebüro

von Redaktion

Wohin darf es gehen? Corinna Gunst (rechts) und Karin Keller haben in Erding ein Reisebüro. © Peter Bauersachs

Erding/München – Corinna Gunst erinnert sich noch gut an wirklich düstere Zeiten. Corona zwang die Welt in die Knie und sie saß mit ihrer Freundin und Geschäftspartnerin in ihrem Erdinger Reiseatelier und bangte um ihre Zukunft. „Da sind viele Tränen geflossen“, sagt die 57-Jährige mit den blonden kurzen Haaren. Aber die Zeiten sind vorbei: Reisebüro-Inhaberin Corinna Gunst, die ganze Branche erlebt eine Art zweiten Frühling. Wer verreisen will, geht zum Buchen wieder häufiger ins Reisebüro statt ins Internet. Vor allem jüngere Urlauber haben zunehmend keine Lust mehr auf Onlinebuchungen. „Reisebüros waren bei der jungen Generation eine Weile uncool“, sagt Corinna Gunst. Aber seit einiger Zeit kommen vermehrt die erwachsen gewordenen Kinder von Stammkunden in ihr Reisebüro. „Das macht uns stolz.“

Der Reiseveranstalter TUI hat das, was Corinna Gunst in der Praxis erlebt, schon vor einem Jahr mit einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov belegt. Zwar ist die Online-Buchung von Reisen nach wie vor die häufigste Variante – aber gerade bei den 25- bis 34-Jährigen steht das Reisebüro wieder hoch im Kurs. Aus dieser Altersgruppe wären 34 Prozent bereit, in einem Reisebüro zu buchen. Bei den über 55-Jährigen sind es nur 14 Prozent, der Durchschnitt insgesamt beträgt 21 Prozent.

Woher kommt dieser Trend? „Wir haben ganz stark gemerkt“, sagt Corinna Gunst, „dass Vertrauen wieder wichtig ist. Wir dürfen wieder beraten.“ Und das gilt für alle Arten von Reisen: pauschal ins Familienhotel, Kreuzfahrten, Abenteuertrips, Studienreisen. Corinna Gunst ermittelt bei den Kunden erst einmal den Bedarf, fühlt ihnen auf den Zahn, wie sie sagt. Sind die Vorstellungen überzogen, rät sie auch mal ab oder weist auf Schwierigkeiten hin – das kann das Internet nicht. „Und das ist den Leuten was wert.“

Viele Kunden legen nach Corona mehr Wert auf Sicherheit: Corinna Gunst kann ihren Kunden genau sagen, wie die Stornierungsbedingungen sind, worauf sie achten müssen. Das ist im Internet oft schwierig. Auch Umbuchungen seien im Reisebüro einfacher: Dort gibt es einen verlässlichen Ansprechpartner, bei Online-Reisebüros scheitern die Kunden oft an der Warteschleife.

Dass persönlicher Kontakt wieder wichtiger wird, spürt auch Thomas Lehner von der bwe travel alliance in Unterschleißheim (Kreis München). „Viele Kunden sind mit Internetbuchungen schon auf die Nase gefallen“, sagt der 38-Jährige. Geht bei der Reise vor Ort etwas schief, seien Online-Anbieter oft schlecht zu erreichen. „Wir sind immer erreichbar.“ Er hat auch die Erfahrung gemacht, dass ältere Kunden das Buchen im Internet ausprobiert hätten, weil die Kinder sie dazu überredet haben. Aber vielen war das riesige Angebot zu unübersichtlich.

Dabei entsteht im Netz der Eindruck, dass man nur lange genug suchen muss, bis man seine perfekte Reise findet: Immer mehr sogenannte Influencer beschreiben ihre Reisen detailliert, mit vielen Bildern. Einfach nachmachen und genießen? So einfach ist es nicht: „Influencer sind nicht immer zuverlässig“, sagt Thomas Lehner. Man wisse nie, ob die Person unabhängig ist – oder den Urlaub und damit verbundene Werbung vom Hotel bezahlt bekommt. Und vielen Kunden sei es auch einfach zu zeitaufwendig, am Abend das Internet nach dem nächsten Urlaub zu durchforsten – auch wenn oder gerade weil sie im Alltag viel Zeit mit dem Smartphone verbringen.

Bleibt die Frage nach dem Preis. „Online wird oft suggeriert, dass man ein Schnäppchen macht“, sagt Thomas Lehner. Er weist aber darauf hin, dass Pauschalreisen im Reisebüro exakt gleich viel kosten wie im Internet. Das bestätigt Corinna Gunst. Sie stellt auch fest, dass gerade bei jüngeren Kunden die Bereitschaft groß ist, Geld für Reisen auszugeben – und lieber an anderer Stelle zu sparen. „Die Leute wollen sich belohnen, sich ihre Wünsche erfüllen“, sagt sie. Das liege auch an den Erfahrungen aus Corona – viele erinnern sich daran, wie es war, das Haus nicht verlassen zu können. Wie in vielen Bereichen haben auch die Preise für Reisen stark angezogen, Thomas Lehner geht von circa 30 Prozent aus. Wenn dann schon viel Geld im Spiel ist, muss der Urlaub auch perfekt sein. Das merkt man auch im Vorfeld an einem hohen Beratungsbedürfnis: Der Chef von TUI Deutschland, Benjamin Jacobi, sagt: „Mittlerweile geht es nicht mehr um die Frage, ob der Pool beheizt ist, sondern auf wie viel Grad.“

Corinna Gunst versucht, alle Fragen ihrer Kunden zu beantworten. Und ab und an gibt es einen Geheimtipp, exklusiv im Reisebüro.

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