Die Jagd wird weiblicher: Eine Jägerin geht mit ihrer Bockbüchsflinte zu einem Hochsitz. © Philipp Schulze/dpa
München – Die Jagd ist so alt wie die Menschheit – und trotz voller Supermarkt-Regale und Metzgerei-Theken beliebt wie lange nicht. In Deutschland sind so viele Menschen im Besitz eines Jagdscheins wie nie. Insgesamt 460 711 Jägerinnen und Jäger gibt es – ein Rekord, wie der Deutsche Jagdverband jetzt mitgeteilt hat. Gut 75 000 von ihnen sind Bayern. Damit liegt der Freistaat auf Platz 2 der Bundesländer mit den meisten Jägern – nur in Nordrhein-Westfalen leben mit über 10 000 noch weit mehr.
Die Jägerschaft sei innerhalb der vergangenen 30 Jahre um mehr als ein Drittel gewachsen, teilt der Deutsche Jagdverband mit. Statistisch gesehen kommen so 5,5 Jäger auf 1000 Einwohner. In Mecklenburg-Vorpommern etwa ist die Dichte allerdings viel höher: Dort sind es zehn Jäger.
Noch etwas stellt man beim Verband fest: Elf Prozent der Jägerschaft ist weiblich – und immer mehr Frauen interessieren sich für den Jagdschein. Das merken nicht nur die Kursleiter in den Kreisgruppen, wo der Schein gemacht wird. Sondern auch Severin Wejbora, Leiter der Landesjagdschule. Die Einrichtung des Bayerischen Jagdverbandes bietet im ganzen Freistaat Fortbildungsseminare für Jäger an. „Frauen machen inzwischen meist ein Drittel des Kurses aus, vor 20 Jahren war das noch anders“, sagt Wejbora. „Die Jagd wandelt sich genauso wie die Gesellschaft. Früher hatten die meisten Teilnehmer jagdlichen Hintergrund und waren Leute vom Land. Inzwischen interessieren sich auch immer mehr Städter für den Jagdschein und damit für Wald und Wildtiere.“
Wejbora selbst kommt aus einer Jäger-Familie. Dass die Jägerschaft aktuell so viel Zuwachs hat, hat für ihn mehrere Gründe: „Die Sehnsucht danach, Ruhe in der Natur zu finden, nimmt zu und Jagen ist Naturschutz.“ Zu den Aufgaben des Jägers gehört es, Tier- und Wildarten zu erhalten, den Wald zu schützen und Seuchen zu bekämpfen. „Die Ausbildung ist vielfältig und anspruchsvoll – danach besitzt man viel Fachwissen und kann so auch in vielen politischen Diskussionen mitreden.“ Ohne Kompaktkurs bereitet man sich über Monate auf die staatliche Prüfung vor. 1500 bis 2000 Euro kostet der Jagdschein, das sogenannte „Grüne Abitur“.
Danach kann man sich an der Landesjagdschule weiterbilden. Das Angebot ist groß. Schießen, Waffentechnik und Munition ist nur ein Themenbereich von sechs. Hier gibt es Messerschärf- und Motorsägenlehrgänge genau wie Schweißhund- und Jagdrechtseminare und Kurse, in denen man lernt, Wild fachgerecht aufzubrechen und zu zerwirken, und daraus etwa Wild-Weißwurst herzustellen. „Das Kulinarik-Wissen lockt viele Nachwuchs-Jäger an“, sagt Wejbora. „Es geht darum, Selbsterlegtes zu verarbeiten und das Wildbret am Ende selbst gekonnt zuzubereiten.“ Etwa auf dem Grill. Auch Nicht-Jäger nehmen an solchen Kursen teil. „From-nose-to-tail ist nur ein moderner Begriff für das, was die Jägerschaft schon immer macht.“: Ein Tier komplett als Nahrungsprodukt zu verwerten.
Durch einen Wildsalami-Kurs kam Katja Neumann aus Bayreuth zur Jagd. „Wild ist für mich das natürlichste Fleisch, biologischer geht es nicht“, sagt die 40-Jährige. „Nachdem ich es immer von bekannten Jägern bezogen hatte, habe ich mich im April 2023 entschieden, selbst den Jagdschein zu machen und im Februar die Prüfung bestanden.“ Im Juni hat die Nachwuchs-Jägerin ihren ersten Bock erlegt. „Steak, Bolognese, Fleischpflanzerl, Gyros: Man kann aus Wildfleisch alles machen – und da ‚wuidlt‘ gar nix.“
An der Jagd reizt Neumann, die sonst im Büro sitzt, noch etwas anderes: „Ich liebe die Jagd auch, wenn ich nichts erlege. Die Natur ist wunderschön, letztens konnte ich Kitze beim Fangenspielen beobachten. Im Wald kann ich anders abschalten.“ Mit drei weiteren Frauen, darunter eine Vegetarierin, saß Neumann im Jagd-Kurs. „Der jüngste Teilnehmer war 18 und der älteste Ende 60.“ Die Jägerschaft schätzt sie jetzt auch als Gemeinschaft.
CORNELIA SCHRAMM