Gedenken mit einem Appell

von Redaktion

Tausende Aschaffenburger trauern gemeinsam um Opfer des Messerangriffs

Blumenmeer am Tatort: Markus Söder, Nancy Faeser und viele weitere Politiker kamen zur Gedenkfeier nach Aschaffenburg. © epd

Aschaffenburg – Vor der Stiftsbasilika in Aschaffenburg ist eine Leinwand aufgebaut. Die Trauerfeier wird auf den Vorplatz übertragen – für hunderte Menschen, die in der Kirche keinen Platz mehr gefunden haben. Schon am frühen Sonntagmorgen haben Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Bundesinnenministerin Nancy Faeser Kränze für die beiden Todesopfer der Messerattacke niedergelegt. Neben ihnen sind viele weitere Politiker zu der Gedenkveranstaltung gekommen. Alle Reden an diesem Tag eint dieselbe Botschaft: Aschaffenburg braucht jetzt Solidarität statt Hetze.

Der 41-jährige Familienvater, der versucht hatte, den Täter aufzuhalten und dafür mit seinem Leben bezahlte, habe mit seinem Mut die Menschlichkeit gerettet, sagte Imam Zischan Mehmood, der mit dem evangelischen Landesbischof Christian Kopp und dem Würzburger Bischof Franz Jung durch den Gedenkgottesdienst führt. „Jetzt ist es unsere Aufgabe, die Menschlichkeit zu bewahren.“ Einige hätten versucht, die Tragödie zu nutzen, um Hass zu verbreiten und die Gesellschaft zu spalten. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Trauer und Schmerz uns auseinanderreißen. Der Respekt vor den Opfern verbietet, die Tragödie für den Wahlkampf zu nutzen“, mahnte der Imam und bekam für seine Worte Applaus. „Nicht die Schreier und Nöler helfen jetzt“, sagte Landesbischof Kopp. „Sondern die, die den Kreis schließen, Blumen niederlegen und Kerzen anzünden.“

Am Tatort im Park, wo der 28-jährige Afghane am Mittwoch mit einem Messer auf eine Kindergartengruppe losgegangen war, liegt ein Meer aus Kerzen, Blumen und Stofftieren. Ein zweijähriger Junge mit marokkanischen Wurzeln wurde getötet – genau wie der 41-jährige Aschaffenburger, der noch versucht hatte, den Mann aufzuhalten. Drei weitere Menschen wurden schwer verletzt. Um 11.45 Uhr, dem Zeitpunkt des Angriffs, läuteten am Sonntag in Aschaffenburg fünf Minuten lang die Glocken aller Kirchen.

Der Zweijährige sei ein kleiner Junge mit großen Augen und einem interessierten Lächeln gewesen, sagt Aschaffenburgs Oberbürgermeister Jürgen Herzing. Der 41-Jährige war ein Mann, der in seinem Stadtteil sehr engagiert war. „Für die Kinder war er ein Schutzengel.“ Am Freitag war der AfD-Spitzenpolitiker Björn Höcke nach Aschaffenburg gekommen. Gegendemonstranten hatten ihn daran gehindert, zum Tatort im Park zu gehen. Dafür bedankte sich Herzing bei seiner Ansprache. Auf einem Banner habe er die Worte „Herz statt Hetze“ gelesen. Das sei auch sein Wunsch und sein Appell.

Markus Söder sprach den Familien und Freunden der Opfer sein Beileid aus. „Eine Messerattacke auf eine Kindergruppe – ein feigeres Verbrechen ist kaum vorstellbar“, sagte er. Aber Aufhetzung sei die falsche Antwort darauf. Der 41-jährige Aschaffenburger, habe Mut und Menschlichkeit bewiesen, als er sich vor die Kinder stellte. Söder kündigte an, ihm dafür posthum die bayerische Rettungsmedaille zu verleihen. „Gut und Böse ist keine Frage von Herkunft und Glauben“, betonte Söder. „Die Tat darf nicht dazu führen, dass Hass unsere Gesellschaft erfasst. Heute ist unser ganzes Land in Trauer vereint.“

Schon am Samstag hatten mehr als 3000 Menschen in Aschaffenburg gegen den Rechtsruck in Politik und Gesellschaft demonstriert. Dabei trat spontan ein elfjähriges Mädchen aus Afghanistan ans Mikrofon. Sie entschuldigte sich für die Tat des 28-Jährigen. Und sie betonte: „Ich bin nicht böse. Und nicht alle Afghanen sind böse Menschen.“
KATRIN WOITSCH

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