Berufsverbot für Aktivistin

von Redaktion

28-Jährige kann nicht Referendarin am Gymnasium werden

Wird als Linksextremistin abgelehnt: die verhinderte Lehrerin Lisa Poettinger. © SIGI JANTZ

München – Klima-Aktivistin, Anti-IAA-Demonstrantin, Organisatorin von Demos „gegen rechts“ – die 28-jährige Münchner Lehramtsstudentin Lisa Poettinger sieht sich aufgrund ihrer politischen Aktivitäten mit einem drohenden Berufsverbot konfrontiert. Das bayerische Kultusministerium will sie nicht zum Referendariat für das Lehramt am Gymnasium zulassen. Poettinger hat Englisch, Ethik und Deutsch als Zweitsprache studiert, am 17. Februar wäre sie im sogenannten Vorbereitungsdienst angetreten. Das klappt nun höchstwahrscheinlich nicht. Grund sei nicht ihr Engagement als Klima-Aktivistin, betont das bayerische Kultusministerium, sondern ihre Mitgliedschaft bei „Smash IAA“ und „Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München“. Beide Gruppierungen wurden vom Landesamt für Verfassungsschutz 2021 und 2023 als linksextremistisch eingestuft. Poettinger musste dazu eine Stellungnahme abgeben, die nun geprüft wird. Da sie jedoch bei ihren Überzeugungen bleibt, rückt das Referendariat in weite Ferne. Kultusministerin Anna Stolz (FW) bekräftigte gestern: „Wer nicht mit beiden Beinen fest auf dem Boden unserer Verfassung steht, den lassen wir nicht in den staatlichen Schuldienst.“

Für die 28-Jährige, die in Murnau aufgewachsen ist und am Staffelsee-Gymnasium ihr Abitur machte, kommt der Schritt nicht ganz unerwartet. Schon im Dezember hatte sie gegenüber dem „Neuen Deutschland“ auf die Frage, ob sie mit einem Berufsverbot rechne, erklärt, sie wünsche sich zwar „von Herzen, Lehrerin zu werden“. Aber sie glaube, „dass ich flexibel sein muss und mich nicht darauf versteifen sollte“.

Nun trifft sie eine Art Radikalenerlass, der in Bayern offiziell 1991 abgeschafft wurde. Seit 1972 waren in Deutschland alle Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst auf ihre Verfassungstreue überprüft worden. Bis 1991 gab es 3,5 Millionen Regelanfragen an den Verfassungsschutz, bis zu 1250 Personen, viele DKP-nah, sollen abgelehnt worden sein.

In ihrem Profil auf der Plattform X nennt sich Poettinger neben Kinderpflegerin und Lehramtsanwärterin auch „Marxistin“ und behauptet „Klimaschutz = Klassenkampf“. Auf zahlreichen Demos ist sie eine der Wortführerinnen. Mal geht es gegen die Automesse IAA, mal gegen den Kiesabbau im Forst Kasten im Münchner Süden, mal gegen das Tesla-Werk, mal geht es – wie als Mitorganisatorin der großen Demo gegen die AfD vor einem Jahr in München – ganz generell gegen „die Rechten“, womit sie den Ärger der CSU auf sich zog. Manchmal schwingt auch Sympathie für Gewalt mit. Sabotage bedeute, „diejenigen Dinge lahmzulegen, die überproportional zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen beitragen“, erklärte sie einmal. Als nach einem Anschlag auf die Stromversorgung im vergangenen Jahr das Tesla-Werk in Brandenburg stillstand, postete sie auf X, jeder Tag ohne Tesla-Produktion sei „ein guter Tag für unsere Umwelt“. Derzeit laufen, wie unserer Zeitung bestätigt wurde, Verfahren gegen Poettinger wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und wegen Zerstörung von AfD-Plakaten. Es gab mehrere Gefährderansprachen des Staatsschutzes. Das Kultusministerium betont, eine Referendarin müsse die „Gewähr“ dafür bieten, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Es sei jedoch streng genommen kein „Berufsverbot“ für alle Zeit. Verbeamtet werden können Lehrer bis 45, und ein Referendar ist ohnehin ein „Beamter auf Widerruf“.

Lisa Poettinger bestätigte gegenüber unserer Zeitung einen ablehnenden Bescheid des Ministeriums, den sie bereits im November erhalten habe. Im Übrigen verwies sie auf eine am 6. Februar geplante Pressekonferenz, „auf der ich das einordnen werde und mit meiner Anwältin über die Erfolgsaussichten einer Klage sprechen werde“. Schon jetzt kündigte sie auf X an: „Ich werde dagegen vorgehen und mich nicht einschüchtern lassen.“

Dass Lehrer abgelehnt werden, ist sehr selten, kommt aber vor, etwa wegen begangener Straftaten. Vereinzelt wurden zuletzt „Reichsbürger“ aus dem Dienst entfernt. Ohne Folgen blieb indes das jahrelange Engagement eines Grund- und Mittelschulrektors in Oberkotzau (Kreis Hof) als AfD-Kreischef. 2022 verließ er die Partei, macht aber aus seiner Gesinnung weiterhin keinen Hehl. Die Reaktionen sind unterschiedlich: „Berufsverbot in Bayern für eine angehende Lehrerin & Klima-Aktivistin. (…) Geht es noch?“, schrieb der SPD-Abgeordnete Florian von Brunn auf X empört. Der bayerische FDP-Chef Martin Hagen hingegen hält die Entscheidung für richtig. Beim Staat habe Poettinger „nichts zu suchen“.
DIRK WALTER

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