Die Baugrube im Westen. An der Betonwand sind die Umrisse des späteren Stammstreckentunnels zu erkennen. Links ist die Röhre stadtauswärts, rechts stadteinwärts, in der Mitte die Rettungsröhre. © Marcus Schlaf
München – Fast acht Jahre nach dem Spatenstich zum Bau der 2. Stammstrecke im April 2017 deutet sich an, dass das Projekt erneut teurer wird und sich zeitlich weiter verschieben könnte.
Bisher liegen die offiziellen Kosten bei 7,059 Milliarden Euro inklusive Risikopuffer. Über die Hälfte – 3,641 Milliarden Euro – muss der Freistaat bezahlen. Doch das ist der Preisstand von 2021. Trotz mehrmaliger Ankündigung hat die Bahn bisher keine neue Berechnung vorgelegt, was im sogenannten Unterausschuss 2. Stammstrecke im Bayerischen Landtag kritisch beurteilt wurde. Der Ausschuss wurde eingerichtet, um das Megabauwerk enger zu kontrollieren und erneute Kostenexplosionen rechtzeitig zu unterbinden. Die Zusammenarbeit zwischen Freistaat und DB laufe gut, sagte Alexander Bonfig, Abteilungsleiter Schienen- und Luftverkehr im bayerischen Verkehrsministerium, im Ausschuss. Doch es gebe auch Verbesserungsbedarf. So müsse die Bahn „eine vertragsgemäße Berechnung der Teuerung liefern“. Ursprünglich sollte sie schon Ende 2024 vorliegen, dass es jetzt noch länger dauert, „ist auch für uns unbefriedigend“. Notwendig sei eine „ehrliche Rechnung“, sagte der Abgeordnete Martin Behringer (FW), der Zahlen von neun oder zehn Milliarden Euro in den Raum stellte. Schließlich seien die Preise gerade in der Baubranche seit 2021 stark gestiegen, bei Brückenbauwerken zum Beispiel um 26 Prozent.
Ähnlich nebulös die Auskunft der Bahn zum Fertigstellungstermin. Offiziell beharrt die Bahn bisher auf einer Inbetriebnahme bis Ende 2035 – das wäre fast 19 Jahre nach dem Spatenstich. Doch nun taucht ein neues Datum auf: Die Inbetriebnahme könnte nach einer Prognose der Bahn auch erst Ende 2036 erfolgen, also 20 Jahre nach dem Baubeginn. Noch sei das nicht sicher. Die Bahn strebe weiterhin 2035 an und wolle eine Verzögerung „durch Gegenmaßnahmen“ verhindern. Worin diese bestehen und ob weitere Kosten auflaufen, konnte der Mitarbeiter des Ministeriums nicht sagen.
Doch es gibt auch Fortschritte, das Megabauwerk kommt langsam voran. So ist in Laim der Einschub aller fünf Deckel für die Umweltverbundröhre gelungen – „ein wichtiger Meilenstein“. Nun kann der Aushub unter den Gleisen im Süden durchgeführt werden. Durch die Röhre soll künftig die Tram-Westtangente sowie ein Fuß- und Radweg verlaufen – inklusive direkter Umstiegsmöglichkeit zur S-Bahn. Die Röhre sollte eigentlich 2026 eröffnet werden, jetziger Stand ist, dass es 2028 wird. Weiter östlich, zwischen Hirschgarten und Donnersbergerbrücke, wird die Baugrube vorbereitet, von der aus die Tunnelbohrmaschinen (TBM) eingesetzt werden können. Die Bahn teilt dazu auf Anfrage mit: „Der Tunnelvortrieb sowohl im Westen als auch im Osten soll voraussichtlichEnde 2026 starten und es geht jeweils mit den Erkundungs- und Rettungsstollen los.“ Die TBM sollen dann am Marienhof aufeinander treffen.
Weitere Fortschritte gibt es am Hauptbahnhof, wo das Gerüst zum Abbau des MAN-Daches über dem Querbahnsteig jetzt fast fertiggestellt ist. Im Laufe des Jahres kann der Abriss beginnen. Er ist notwendig, weil der Hauptbahnhof komplett neu gebaut wird. Bei der Baustelle am Marienhof ist man in 40 Metern Tiefe angekommen. Noch nicht so weit ist man am Ostbahnhof, wo an der Friedenstraße ein weiterer Bahnhof für die 2. Stammstrecke entstehen soll. Die Ausschreibung der Arbeiten läuft noch, gebaut wird hier noch nicht.
DIRK WALTER