Paar mit Vision: Michael Gehring und Rebekka Stadler ernten Karotten und suchen Mitglieder für eine Solawi. © Privat
Bereit für die zweite Saison als Solawi: Gemüsegärtnerin Jana Heenen vom Riedlerhof in Weyarn. © THOMAS PLETTENBERG
Sankt Wolfgang – Rebekka Stadler (27) und Michael Gehring (32) haben einen Traum: Sie wollen mit eigenen Händen Gemüse anbauen und ihre Ernte mit anderen Menschen teilen. „Wir träumen von einer Landwirtschaft ohne mineralische Dünger und Pestizide und mit viel Platz für Biodiversität und Natur“, sagt Stadler. „Wir wollen der Gegenpol zu Supermarktware von weither und großen Monokulturen sein.“
Mit Hacke und Schaufel verdient das junge Paar schon immer sein Geld. Stadler ist als Gemüsegärtnerin angestellt, Gehring als Gärtner. Vom bisherigen Wohnort Landsberg am Lech sind sie vergangenes Jahr zurück an Stadlers Wurzeln gezogen – nach Sankt Wolfgang im Kreis Erding, um dort den Hof ihres Onkels zu übernehmen. Kühe gibt es hier nicht mehr, aber alte, fleißige Obstbäume und 4000 Quadratmeter Ackerland. Auf dem sollen künftig Träume – und die erste Solidarische Landwirtschaft Erdings wachsen.
Solawis sind Zusammenschlüsse von Produzenten und Verbrauchern. Die Ernte wird geteilt – aber auch die Kosten für den Anbau. Wer will, hilft als Anteilseigner auch mal mit. Ein realer Wirtschaftskreislauf, der Nachhaltigkeit und Regionalität großschreibt. In Sankt Wolfgang haben Stadler und Gehring vergangene Saison junge Bäume und Sträucher gepflanzt, einen Gewächshaustunnel an die Bewässerung angeschlossen und auf 500 Quadratmetern Kartoffeln, Zwiebeln, Kohl und Karotten angebaut. „Mit Okraschoten, Wasser- und Honigmelonen und Topinambur haben wir auch etwas Exotisches ausprobiert“, erzählt Stadler. Das erste Anbaujahr lief gut – also suchen sie jetzt über die Internetseite www.solidarische-landwirtschaft.org Mitglieder für ihren Traum.
Gemeinsam ackern und Gemüse ernten
Jana Heenen lebt diesen Traum schon in Weyarn im Kreis Miesbach. Ihren Bürojob hat sie vor vier Jahren aufgegeben, um auf dem Riedlerhof in Kleinpienzenau als gelernte Gemüsegärtnerin tätig zu sein. Den biozertifizierten Anbau betreibt sie heuer im vierten Jahr, das zweite als Solawi. Nun gibt Heenen 35 Ernteanteile neu aus. Von Mai bis November wird wieder jeden Donnerstag geerntet werden und der Ertrag in dieser Zeit wöchentlich in Kisten für Ein- oder Zwei-Personen-Haushalte ausgegeben. Eine kleine Kiste kostet im Schnitt 24 Euro (618 Euro/Jahr), die große 36 Euro (927 Euro/Jahr).
„Kleinteilige Landwirtschaft kann mit Massenproduzenten nicht mithalten. Die Kosten sind einfach höher, als dass man sie durch Preise im Supermarkt auffangen könnte“, erklärt Heenen. „Die Solawi ermöglicht Landwirten und Gemüsegärtnern, dass sie nachhaltig, zukunftssicher und zu fairen Arbeitsbedingungen produzieren.“ So stemmen schlimmstenfalls mehrere Schultern auch Verluste, zum Beispiel nach einem Unwetter.
Neben frischem Obst und Gemüse haben auch die Anteilseigner Vorteile: „Die Menschen haben wieder Kontakt zur Lebensmittelproduktion und können auch Wünsche einbringen“, sagt Heenen. „Gerade für Kinder ist es toll, die Abläufe im Garten zu erleben und zu lernen, wann was wächst.“ Wer Lust und Zeit hat, kann auf dem Riedlerhof auch mitarbeiten. Einmal im Monat bietet Heenen zudem einen Mitmachtag an. „Wir treffen uns an einem Samstagvormittag für drei Stunden. Dann wird in kleinen Teams gearbeitet, was gerade anfällt: Komposten, Unkrautjäten oder Gemüsesäen.“ Auch am 8. Februar lädt Jana Heenen ab 10 Uhr wieder ein, um Interessierten ihren Garten zu zeigen und das Gemüsekisten-Konzept zu erklären (Anmeldung: gemuese-garten@web.de).
Die größte Solawi Deutschlands
Das Kartoffelkombinat in Oberschweinbach im Kreis Fürstenfeldbruck gilt als größte Solawi Deutschlands. 2011 hatten ein paar junge Münchner eine Idee – inzwischen bewirtschaften sie 24 Hektar Ackerfläche und 2800 Quadratmeter Gewächshaus. Im Großraum München versorgen sie 2300 Haushalte pro Woche mit Bio-Gemüse.
Wer Genosse im Kartoffelkombinat werden will, muss eine einmalige Kapitalbeteiligung in Höhe von 150 Euro leisten. Mit 78 Euro im Monat beteiligt man sich an allen entstehenden Kosten und erhält seinen wöchentlichen Ernteanteil in einer bunten Gemüsekiste. Für 49,37 Euro ist eine kleinere Kiste erhältlich. 50 Kulturen werden inzwischen angebaut. Wer im Winter aber Tomaten braucht, ist hier falsch. Saisonalität ist das oberste Gebot der Genossen.
CORNELIA SCHRAMM
CHRISTINE MERK