Die Furcht vor dem Pfandtourismus

von Redaktion

Wer diese sechs Bierkästen leer in Österreich zurückgibt, bekommt an Pfand 3,90 Euro mehr zurück. © Sigi Jantz

München/Wien – Österreich ist im Pfandwahn. Seit 1. Jänner kosten PET-Flaschen und Dosen auch im Nachbarland die hierzulande schon lange üblichen 25 Cent. Über Nacht ist jetzt auch die leere Bierflasche nicht mehr nur neun, sondern zwanzig Cent wert. Österreich erhöht von Samstag auf Sonntag nach über 40 Jahren nämlich auch das Pfand auf die Halbliter-Glasflasche.

„Das wird die Motivation, leere Flaschen wieder in den Handel zurückzubringen, deutlich erhöhen“, sagt Karl Schwarz, Obmann des Verbands der Brauereien in Österreich. 90 Prozent der von der Erhöhung betroffenen Flaschen sind Bierflaschen. In den vergangenen Jahren habe die „Rückgabe-Mentalität“ deutlich nachgelassen. „Das niedrige Pfand führte augenscheinlich dazu, dass immer mehr Menschen die Flaschen entsorgten“, sagt Schwarz. Als Abfallprodukt im Altglas wurden sie dem Mehrweg-Kreislauf entzogen. Das setze der Umwelt zu und sei ein Schaden in Millionenhöhe für Brauereien.

Ein Rechenbeispiel: Egal ob Almdudler oder Bier, wer am Montag in Österreich ein Tragerl kauft, ist sieben Euro Pfand los. 20 mal 20 Cent für die Mehrwegflaschen und drei Euro für die Kiste. In Bayern kostet ein solches Tragerl derzeit 3,10 Euro Pfand. 20 mal acht Cent für die Flaschen und 1,50 Euro für den Kasten. Wer also Bierflaschen hier kauft und in Österreich zurückgibt, gewinnt potenziell jeweils zwölf Cent. Auf den ganzen Kasten gerechnet sind das 3,90 Euro Plus – ein lukratives Geschäftsmodell für Pfandtouristen?

„Die Thematik beschäftigt uns schon lange. Die große Unbekannte ist, wie viel Pfandtourismus es geben wird, denn in Deutschland erworbene Glasflaschen können in der Tat im österreichischen Handel zurückgeben werden“, sagt Walter König, Sprecher des Bayerischen Brauerbunds. „Vor allem Brauereien in Grenznähe, deren Absatzmarkt bis zu 25 Prozent im österreichischen Handel liegt, sind betroffen und stehen deshalb schon länger im Austausch mit den Verantwortlichen vor Ort.“ Dass Umweltschutz nicht an der Landesgrenze endet, macht Sinn. Von Mittenwald bis Passau haben Brauereien Vereinbarungen mit den österreichischen Abnehmern getroffen. In den meisten Fällen werden die Super- und Getränkemärkte die Verluste übernehmen. „Die Mitarbeiter in den Märkten vor Ort werden also demnächst verstärkt darauf achten, ob Leergut in großen Mengen per Anhänger oder Kleintransporter zurückgebracht und dafür nicht wieder eingekauft wird.“

Entlang der Grenze gibt es viele Spar-Supermärkte. „Bei uns kann man im Mehrwegsystem nur Bierflaschen zurückgeben, die wir auch im Sortiment haben. Alle anderen erkennt der Pfandautomat nicht“, erklärt eine Konzernsprecherin. „Wir glauben nicht, dass es zu massivem Pfandtourismus kommt. Das Problem haben ja übrigens auch österreichische Biere, die nach Deutschland geliefert werden. Stiegl aus Salzburg zum Beispiel.“ Wer das Tragerl Stiegl in Freilassing abgibt, macht fortan 3,90 Euro Verlust.

Die Pfanderhöhung ist in Österreich zwei Jahre lang vorbereitet worden. Im Gegensatz zum Einwegflaschen-Pfand handelt es sich bei dem auf Mehrwegflaschen laut Obmann Schwarz um eine „privatrechtliche Vereinbarung“ zwischen Käufern, Inverkehrbringern und Rücknehmern ohne staatlich verordneten Rechtsrahmen. So ist das auch in Deutschland. „Die 1,50 Euro Pfand pro Kasten entsprechen schon lange nicht mehr seinem Anschaffungspreis, ebenso ist es bei der Glasflasche. Auch hier müssten die Beträge erhöht werden“, sagt König. Der Biermarkt in Österreich aber sei um ein Vielfaches kleiner. Die Kosten der Umstellung wären enorm – und deshalb wird sie gescheut. Obwohl die Brauereien auch hierzulande jeden Sommer damit zu kämpfen haben, dass viele Bierflaschen und Kästen lange oder gar nicht zurückgegeben werden. Aber König sagt: „Eine Stichtagslösung wie sie Österreich nun umgesetzt hat, würde wegen der Flaschen und Kisten, die im Umlauf sind, für unsere Brauereien einen Verlust von 380 bis 400 Millionen Euro bedeuten.“

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