In Warteposition: Jedes Pferd sieht anders aus.
Ria Koch ist leidenschaftliche Steckenpferd-Reiterin.
In einer Reihe durch die Halle: Die Schülerinnen und ihre Steckenpferde im Unterricht.
Springreiten mit Steckenpferd: Die Schülerinnen müssen im Training auch Hindernisse meistern. © Yannick Thedens (4)
München – „Und jetzt Galopp“, ruft Ria Koch und schon beginnt das Getrappel. Doch es sind nicht Pferdehufe, die um die Trainerin herum auf den Boden donnern. Und Ria Koch steht auch nicht in einem Reitstall – sondern in einer Turnhalle. Um sie herum sind keine Pferde zu sehen. Zumindest keine vierbeinigen. Ihre Schülerinnen reiten auf Steckenpferden. Die Mädchen sind zwischen acht und 14 Jahre alt. Eigentlich schon ein bisschen zu alt für Steckenpferde. Aber die sind wieder schwer angesagt – in jeder Altersgruppe. Hobby Horsing heißt der Trend. Kochs Kurse sind gefragt. Hier geht es nicht um Geschwindigkeit – sondern vor allem um Spaß. Die jungen Steckenpferd-Reiterinnen sind auf der anderen Seite der Halle angekommen. Und schon wird zurück galoppiert. Ria Koch beobachtet aufmerksam und manchmal reitet sie auch auf ihrem eigenen Steckenpferd mit.
Einige der Mädchen haben ihren Steckenpferden die Mähne liebevoll in Zöpfe geflochten, andere sind mit Schleifen geschmückt. Die jungen Reiterinnen tragen weder Helm noch Stiefel, sondern Sportkleidung und Turnschuhe. Denn ins Schwitzen kommen sie bei Kochs Unterricht immer. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich, sagt die Trainerin. Wobei es natürlich ein Vorteil ist, sich mit dem Reitsport ein wenig auszukennen. Denn einige Begriffe sind dieselben wie in einer richtigen Reithalle. Den Trend zum Hobby Horsing gibt es überall in Deutschland, sagt Koch. „Die Nachfrage wird immer größer.“ Sie hat sogar Wartelisten. Und sie bietet nicht nur Kurse an, sondern auch Steckenpferde und Zubehör. „Den Kindern macht es Spaß, das Hobby gemeinsam in der Gruppe auszuüben.“ Sie denkt bereits darüber nach, auch einen Kurs für Erwachsene anzubieten.
Nach ein paar Dressurübungen steht heute Springen an. Koch hat einen kleinen Parcours aufgebaut. Sie steht in Sporthose und mit ihrem eigenen Steckenpferd in der Mitte der Halle und trainiert mit ihren Schülerinnen deren Springtechnik. „Die Schwierigkeit ist die Koordination von Armen und Beinen“, erklärt sie. Hobby Horsing ist mehr als Herumhüpfen mit Steckenpferd, das ist ihr wichtig. Die Bewegungen sollen elegant sein – ähnlich wie beim Ballett. Alle Bewegungen müssen fließend sein. Mit dem Oberkörper werden beim Hobby Horsing die Bewegungen des Reiters imitiert, mit dem Unterkörper diejenigen des Pferdes. Hier ist Präzision gefragt. Eine Schülerin nimmt Anlauf – bleibt aber mit ihrem Fuß an der etwa kniehohen Stange des Hindernisses hängen. Die fällt auf die Matte. Kommt vor. Wie im richtigen Reitsport eben auch. Das Bein war beim Springen nicht in der richtigen Position, erklärt ihr Ria Koch später. Vor allem aber lobt sie ihre Schülerinnen. Das motiviert, die Mädchen werden immer besser. Am Ende der Stunde haben einige den Parcours fehlerfrei geschafft. Sogar die 70 Zentimeter hohen Hindernisse.
Wenn Koch gerade keinen Hobby-Horsing-Unterricht gibt, betreibt sie ein Geschäft für Herrenmode in München. Steckenpferde lernte sie durch ihre kleine Tochter lieben. Denn die hatte das Hobby Horsing während der Pandemie für sich entdeckt. Koch war begeistert, wie sich ihre Tochter und deren Freundinnen nicht nur sportlich betätigten, sondern auch kreativ wurden. Sie fingen an, Mähen zu flechten, an den Steckenpferden zu nähen und immer neues Zubehör anzubringen. Und schon bald hatte sie selbst die Begeisterung gepackt.
Ursprünglich kommt der Steckenpferd-Trend aus Finnland. Dort fand in diesem Jahr bereits zum elften Mal die Hobby-Horsing-Meisterschaft statt. Auch in Deutschland wird die Nachfrage von Jahr zu Jahr größer. Es gibt bundesweit 200 Vereine und einen Hobby-Horsing-Verband mit einem eigenen Regelwerk. „Es muss Grundlagen geben, die überall gleich sind, damit fair bewertet werden kann, erklärt Koch. „Genau wie in jedem anderen Sport.“ In Frankfurt fanden im Herbst die ersten deutschen Meisterschaften statt.
Turnierbereit sind Kochs Schülerinnen aber noch nicht. In München haben sie für das Training einen Raum des Turnvereins MTV bekommen. Manchmal müssen sich die Mädchen einen abfälligen Spruch anhören, wenn sie mit ihren Steckenpferden zum Training kommen. Oder seltsame Blicke. Koch findet das schade. Wer das Ganze lächerlich macht, sieht die Leistung dahinter nicht, betont sie. „Hobby Horsing ist nicht so leicht, wie es aussieht.“ Es sei ein hervorragendes Ganzkörpertraining, das Ausdauer und Koordination verbessert. Und ihre Schülerinnen lernen ganz nebenbei noch etwas, sagt sie: Für die eigene Leidenschaft einzustehen. Ganz egal, was andere denken.