Bayerns Tierwelt anno 1845

von Redaktion

Wissenschaftsprojekt des späteren Königs Max II. liegt nun digitalisiert vor

„Forstliche Übersichtskarte“: Auch über Wildschwein-Vorkommen mussten die Forstämter berichten. © BayHSTA

München – Am 13. August 1845 initiierte der damalige Kronprinz Maximilian, der drei Jahre später König Maximilian II. werden sollte, ein höchst ungewöhnliches Projekt. Über den Zoologen Johann Andreas Wagner wies er die 119 bayerischen Forstämter an, die Tierwelt in Bayern zu erfassen. Alles was kreucht und fleucht, vom Bär bis zur Kreuzotter, vom Wolf bis zum Wildschwein, insgesamt 44 Tierarten sollten kartiert werden. Dieser Tieratlas von Bayern liegt jetzt höchst praktisch im Internet vor (www.nfdi4biodiversity.org). Unter der Leitung des Biologen Prof. Malte Rehbein von der Uni Passau wurden die 5467 Einträge auf über 500 handschriftlichen Seiten digitalisiert. Die Originale werden im bayerischen Hauptstaatsarchiv verwahrt. Für Rehbein steht fest, dass die damaligen Daten ein Gewinn für die Biodiversitätsforschung sind – schließlich kann man ablesen, welche Tierarten damals in Bayern noch vorhanden waren und welche nicht. Wissenschaftlich ausgewertet werden sollen die Einträge in einer Masterarbeit, doch ein Ergebnis ist schon ablesbar: der schleichende Schwund der großen Beutegreifer, der auch schon im 19. Jahrhundert bemerkbar war. Der Bär etwa war in Bayern schon damals ausgerottet, das letzte Exemplar 1835 bei Ruhpolding geschossen. Mehrere Orte lieferten Daten, wann bei ihnen der letzte Bär oder Wolf erlegt worden war. Das Forstamt Tegernsee beispielsweise schrieb, das sei 1826-1828 im angrenzenden Tirol der Fall gewesen. Nur in der Pfalz, die damals zu Bayern gehörte, gab es noch Wölfe, die im Winter aus den Vogesen oder den Ardennen rüberwanderten. Hingegen meldete beispielsweise das Forstamt Vohenstrauß im Bayerwald: „Seit 20 Jahren ist kein Wolf geschossen worden.“

In Oberbayern sah es ebenfalls dürftig aus: Zum Luchs meldete das Forstamt Benediktbeuern, dieser sei „vor ein paar Dezennien nicht unselten“ gewesen, aber jetzt komme er „nur in einzelnen und strengen Wintern aus Tirol auf seinen Raubzügen“ in den Bezirk. Das Forstamt Schongau meldete, der Luchs werde „höchst selten in dem Hochgebirge von Ettal gefunden“. Etwas verbreiteter war die Wildkatze, über die das Forstamt Ebrach in Oberfranken schrieb, fast alljährlich würden „einige“ der Tiere erlegt. Aus Ebersberg hieß es indes, die Wildkatze könne „als ausgerottet bezeichnet werden“. Ähnlich das Forstamt Haag: Die Wildkatze sei „gänzlich ausgerottet“, der Wolf „längst erschossen“. Zum Luchs berichtete das Forstamt Partenkirchen, er sei „noch vor 10 bis 12 Jahren einheimisch“ gewesen, nun gebe es nur im Winter einzelne durchziehende Exemplare.

Die Sammlung enthält auch eine Liste der „in den königlichen Seen sich befindlichen Edelfischen“. Demnach waren im Würmsee (heute: Starnberger See) 1845 neben Renken, Karpfen, Hechten, Wallern und Rutten (eine Dorschart) auch Lachse beheimatet. Immerhin.
Dirk Walter

Artikel 1 von 11