Die nackte Angst im Bordell

von Redaktion

Sexkauf-Verbot ja oder nein? Ortstermin in einem Dachauer Etablissement

Nicht nur Sex, sondern auch Nähe suchen die Kunden im „Salon Patrice“, sagt Ittner.

Notfalls nach Österreich: Freier Maik (Name geändert) will nicht verzichten.

„Alles Populismus“: Bordellbesitzer Uwe Ittner hält nichts vom Sexkauf-Verbot.

Arbeitet in Dachau im Bordell: Prostituierte Anna in ihrem Zimmer. © Michaela Stache (4)

Dachau – Maik (35, Name geändert) sitzt auf der Bettkante und wartet auf seinen Seitensprung. Sein goldener Ehering glänzt im Licht des Bordellzimmers. Der Vater einer sechs Monate alten Tochter geht seit Monaten in den „Salon Patrice“ in Dachau und schläft dort mit Prostituierten. Aber das könnte bald vorbei sein. Und das liegt nicht an seiner Frau.

Die CDU/CSU will Freiern wie Maik den Gang ins Bordell verbieten. Die Union plant ein „Sexkauf-Verbot“, der Antrag dazu liegt im Bundestag. Am 23. Februar könnte die Union die Wahl gewinnen – und das Verbot durchsetzen.

Laut Antrag ist der Großteil der 250 000 Prostituierten in Deutschland „täglich sexueller Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch schutzlos ausgeliefert“. Nur 28 000 von ihnen seien angemeldet – das widerlege die Mär vom „Beruf wie jeder andere“. Vielmehr sei „eine hohe sechsstellige Zahl von Frauen und Mädchen“ abhängig von Zuhältern – und „massiver Gewalt“ ausgesetzt. Die Union will deshalb eine „allgemeine Freierstrafbarkeit“ einführen und Bordelle und „Prostitutionsstätten“ wie Laufhäuser oder Wohnwagen verbieten. Das Ganze nennt sich „Nordisches Modell“ und gilt schon in Ländern wie Schweden, Norwegen oder Frankreich.

„Diese Forderungen sind populistischer Scheißdreck“, findet Bordellbesitzer Uwe Ittner (64). Seit 20 Jahren führt der Ex-Polizist den „Salon Patrice“. Bei ihm laufe alles geordnet ab – ganz anders als in den Horrordarstellungen der Union. Regelmäßige Polizeikontrollen, alle Papiere in Ordnung. Die Frauen: selbstständig und selbstbestimmt. Sorina stimmt zu. Die Rumänin schafft seit zehn Jahren im „Salon Patrice“ an. 150 Euro verlangt sie die Stunde. 40 Euro davon zahlt sie an Ittner – für Zimmernutzung und Werbung. Sorina betont: „Ich mache das freiwillig. Ich bin angemeldet, zahle Steuern. Ich habe sogar einen Steuerberater.“

Ein Sexkauf-Verbot würde Betreiber wie Ittner und Prostituierte wie Sorina bestrafen, sagt der Bordellbetreiber. „Es gibt in Deutschland 2300 konzessionierte Betriebe, die werden behördlich überwacht.“ Sollte Sexkauf verboten werden, würde Prostitution im Verborgenen stattfinden, sagt er. „Die Nachfrage wird es weiterhin geben. Aber dann sind die Frauen komplett in den Händen der Organisierten Kriminalität.“ Dass es massive Missstände gibt, bestreitet Ittner nicht. Aber die könne man schon jetzt bekämpfen. „Menschenhandel und Ausbeutung sind ja verboten. Diese Gesetze muss man endlich konsequent durchsetzen.“

Das Nordische Modell ist auch unter Experten und Politikern umstritten. Die SPD ist teilweise dafür, die Grünen dagegen. Bordellbesitzer Ittner will in dieser Diskussion auch an die Freier erinnern. „Bei uns klingeln nicht die Brad Pitts“, sagt Ittner. „Das sind oft Menschen, die es schwer mit Frauen haben. Menschen mit Behinderungen, mit Prothesen. Oder alte Witwer. Sie alle wollen nicht bloß Sex, sondern vor allem Zärtlichkeit und menschliche Nähe. Und das soll kriminalisiert werden?“

Freier Maik sieht‘s genauso. „Diese Dienstleistung sollte seriös organisiert sein.“ Ein Sexkauf-Verbot würde ihn hart treffen. „Ich bin Jäger und Sportschütze. Wenn man mich erwischt, würde ich die Lizenzen verlieren.“ Seit April ist er Kunde im Salon Patrice – mit Erlaubnis seiner Frau. „Wir hatten ein gutes Sexleben“, sagt Maik. Aber seit der Schwangerschaft und der Geburt der Tochter wolle sie nicht mehr. Er schon. Und er will sich den Sex für Geld auch nicht verbieten lassen. „Wenn das kommt, geh‘ ich nach Österreich.“
THOMAS GAUTIER

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