DAS PORTRÄT

Die stärkste Frau Deutschlands ist aus Bayern

von Redaktion

Diesen Stein stemmte Sandra Bradley als erste Frau.

„Ich wollte schon immer, seitdem ich klein bin, stark sein“, sagt Sandra Bradley. Die 36-Jährige wohnt in Nürnberg und ist derzeit die amtierende stärkste Frau Deutschlands. Seit 2013 ist sie dem sogenannten „Strongman-Sport“ verfallen. Durch Zufall hatte sie damals die stärkste Frau Deutschlands in ihrem Fitnessstudio kennengelernt, die lud sie zu einem Anfängerwettbewerb ein. „Davor hatte ich es immer nur im Fernsehen gesehen und fand es faszinierend. Ich habe mir immer vorgestellt, wie cool das wäre, wenn ich als Frau so einen Lkw ziehen könnte“, erinnert sich Bradley.

Der Sport half Sandra Bradley anfangs, eine Essstörung zu überwinden, mit der sie seit Teenagerjahren zu kämpfen hatte. „Ich erreichte ein neues Level an Selbstbewusstsein, das ich früher nie für möglich gehalten hätte.“ Um Frauen den Einstieg in den Sport zu erleichtern, gründet Bradley derzeit einen Verein. „Er soll Strongwoman Germany e.V. heißen“, sagt sie.

Bradley war jahrelang bei der Polizei im Streifendienst und Ausbilderin bei der Bereitschaftspolizei. Vor einiger Zeit machte sie sich als „Strength Coach“ selbstständig. Von den Preisgeldern bei den Wettkämpfen kann sie nicht leben: „Für meine erste Weltmeisterschaft habe ich gar nichts bekommen“, erzählt die Nürnbergerin. Inzwischen liegen die Preisgelder im vierstelligen Bereich – zumindest für den EM- oder WM-Titel.

Viermal wurde Bradley bereits die stärkste Frau Deutschlands, 2023 setzte sie sich auch als Siegerin in der Europameisterschaft durch, fünfmal kam sie bei der Weltmeisterschaft ins Finale. Im Sommer vergangenen Jahres schaffte Bradley etwas, was weltweit bisher keiner Frau zuvor gelang. Sie hat als erste Frau einen 154 Kilogramm schweren Stein, einen sogenannten Fullsterkur in Dritvik (Island), hochgehoben. „Das ist ein sehr bekannter Stein in Strongman- und Steinheberkreisen“, verrät Bradley stolz. Das Schwierige war, dass „die Oberfläche so glatt wie Seide ist“. Bradley brauchte zwei Stunden, bis sie es schaffte, ihn bis übers Knie hochzustemmen. Videos und Fotos solcher Erfolge postet die 36-Jährige auf Instagram. Dabei muss sie sich oft mit negativen Kommentaren auseinandersetzen. „Der Klassiker: Das ist doch keine Frau, das ist doch ein Mann“, sagt sie. Solche Kommentare prallen mittlerweile an ihr ab. Drei- bis fünfmal die Woche trainiert Sandra Bradley. Das Schwerste, was sie je gehoben hat, waren 260 Kilogramm. Einmal geriet ihr Finger zwischen zwei Betonsteine. „Zum Glück war der Knochen nicht gebrochen, aber mein Finger war gepellt wie eine Banane.“
TANJA KIPKE

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