Bayern im Briefwahl-Stress

von Redaktion

Kurze Frist stellt Rathäuser und Reisende vor Probleme

Die Briefwahlunterlagen werden erst am Wahltag geöffnet. Der Anteil der Briefwähler lag 2021 bei 47,3 Prozent. © PLETTENBERG

München – Die Bundestagswahl rückt näher – und mit jedem Tag steigt das Stresslevel in den Rathäusern. Denn für viele Wähler könnte das Zeitfenster für die Briefwahl zu eng werden. Bis vergangenen Donnerstag mussten die Bundes-, Landes- und Kreiswahlausschüsse final über die Zulassung der Kandidaten entscheiden. Erst danach konnten die Wahlzettel gedruckt werden. Den Druck gibt jede Kommune einzeln in Auftrag. Dieser Tage treffen die fertigen Wahlzettel in den Rathäusern ein. In einigen Gemeinden könnte das aber noch bis Anfang kommender Woche dauern. Statt der üblichen drei bis vier Wochen bleiben einigen Briefwählern dann nur noch knapp zwei Wochen Zeit für die Wahl. Die Unterlagen müssen in den Rathäusern eingepackt, verschickt, dann von den Wählern ausgefüllt und zurückgeschickt werden.

Für Deutsche, die im Ausland leben, könnte das eng bis unmöglich werden, vermutet Michael Herrmann, Geschäftsleiter im Rathaus Benediktbeuern (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen). Eigentlich sei eine Express-Sendung nötig, damit die Unterlagen bis zum 23. Februar ausgefüllt im Rathaus ankommen. Das würde aber sowohl die Wähler, als auch die Gemeinde 30 bis 40 Euro kosten. „Würde es nur um einen einzelnen Wähler in Afrika gehen, könnte man sagen: Machen wir halt. Aber bei mehreren Wählern läppert sich ganz schön was zusammen“, sagt Herrmann.

Und nicht nur die Deutschen, die im Ausland leben, bekommen durch die knappe Frist Probleme. Auch alle, die dieser Tage einen Urlaub planen und nicht bis 23. Februar zurück sein werden, könnten die Wahlunterlagen nicht rechtzeitig vorher bekommen. „Wenn mich Leute, die in den nächsten Tagen in Urlaub fahren wollen, fragen, wie sie wählen sollen, muss ich sagen: Gar nicht“, sagt Herrmann. Er geht davon aus, dass das für viel Unmut sorgen wird.

Bayerns Landeswahlleiter Thomas Gößl ist nicht ganz so pessimistisch. Denn wie bei jeder Bundestagswahl wird der Kurierweg des Auswärtigen Amtes für Briefwähler im Ausland geöffnet – und dieses Mal wegen der kurzen Frist nicht nur für im Ausland lebende Deutsche, sondern auch für Urlauber und Geschäftsreisende, sagt Gößl. In einigen Fällen würde es auch Sinn machen, die Wahlunterlagen direkt an die Botschaft schicken zu lassen, erklärt er. „Wer eine Möglichkeit hat, dorthin zu fahren, kann direkt vor Ort wählen, dann geht der Wahlbrief mit dem nächsten Kurier direkt zurück nach Deutschland.“ Es sei aber auch möglich, einen Vertreter an die Botschaft zu schicken, der die Wahlunterlagen abholt. Das Kreuzchen machen darf jedoch nur der Wähler selbst, betont Gößl. „Eine Wahl durch Vertreter ist nicht zulässig.“

Bei der Bundestagswahl 2021 haben rund 130 000 Deutsche aus dem Ausland ihre Stimme abgegeben, sagt Gößl. 110 000, also die meisten, aus dem europäischen Ausland. Gößl ist zuversichtlich, dass die Wahlbriefe aus europäischen Ländern auch ohne den Kurierweg rechtzeitig zurück sein werden. „Das Risiko trägt jedoch der Wähler“, betont er. Der Landeswahlleiter geht davon aus, dass nicht nur die Wahlbeteiligung (sie lag 2021 bei 76,6 Prozent), sondern auch die Zahl der Briefwähler dieses Jahr höher sein wird als sonst.

Auch deshalb laufen in den Rathäusern gerade viele Abläufe parallel. Es müssen Wahlverzeichnisse erstellt, Wahlbenachrichtigungen verschickt, Wahllokale vorbereitet und Wahlhelfer gefunden werden. Und dann auch noch die fehlenden Wahlzettel. Damit alle Briefe innerhalb kürzester Zeit verschickt werden können, haben viele Rathäuser Mitarbeiter aus allen Referaten abgezogen. In Wolfratshausen packt sogar Bürgermeister Klaus Heilinglechner mit an. Auch im Freisinger Rathaus helfen aktuell alle zusammen. Doch auch dort können die Wahlunterlagen frühestens diese Woche verschickt werden. Für Briefwähler in Bayern müsste das Zeitfenster reichen, glaubt Wahlleiter Michael Kirmayer. Er rät aber allen Briefwählern, mindestens vier Tage für den Postweg einzuplanen. „Von der Deutschen Post wissen wir, dass die Wahlbriefe speziell am Wahlwochenende vorrangig befördert werden.“ Trotzdem sollte man ihn so früh wie möglich losschicken, rät er.

Gizem Keser-Radtke, Sprecherin der Stadt Starnberg, rechnet nicht damit, dass alle Wahlbriefe pünktlich bis 18 Uhr am 23. Februar zurück sein werden. Einzelne Bürgermeister haben bereits dazu aufgerufen, wenn möglich auf die Briefwahl zu verzichten oder den Wahlbrief persönlich im Rathaus abzugeben. Einige Wahlleiter in Bayerns Landratsämtern rechnen auch damit, dass es aufgrund des engen Zeitfensters zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit kommen könnte und auch deswegen Stimmen nicht zählen.
KWO/PS/CCE/ZZ/AM

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