„Singen macht schlau und glücklich!“

von Redaktion

Volksmusikpfleger Leonhard Meixner über sein neues Kinderliederbuch

Das Liederbuch „Seppal Schnepeppal“ gibt‘s für 15 Euro beim Zentrum für Volksmusik (zemuli@bezirk-oberbayern.de).

Singen in der Gemeinschaft macht Spaß und verbindet die Menschen, sagt Volksmusikpfleger Leonhard Meixner. © Barbara Jansen

Leonhard Meixner (37) als musikalisch vielseitig zu beschreiben, wäre beinahe eine Untertreibung. Der Volksmusikpfleger des Bezirks Oberbayern aus Bruckmühl beherrscht neben dem Gesang auch die Instrumente Posaune, Tenorhorn, Bariton, Basstrompete, Tuba, Steirische Harmonika, Klavier, Percussion, Alphorn und Gitarre. Mit den „CubaBoarischen“ wurde er überregional bekannt. Jetzt hat er ein Kinderliederbuch mit 124 Titeln auf Bairisch und Deutsch herausgebracht.

Herr Meixner, haben Sie als Kind viel gesungen?

Ja, Gott sei Dank! Da habe ich mir einen großen Liederschatz beibringen lassen. Das war ganz natürlich, weil meine beiden Eltern Kirchenmusiker sind und zu der Zeit sehr aktiv waren. Ich bin quasi in den Kinderchor hineingeboren worden und habe das ganze Repertoire mitgekriegt – geistlich und weltlich. Wir waren ständig von Musik umgeben. Für mich war Singen einfach Lebenselixier. Das ist es immer noch.

Kann jeder Mensch singen oder geht‘s nur mit Talent?

Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder singen kann, der seine Stimme als Werkzeug benutzt – zum Beispiel beim Sprechen, Lachen oder Rufen. Meistens hakt es nur daran, dass sie dann nicht ausgebildet wird. Besonders die ersten Jahre sind sehr wichtig. Deswegen bauen wir ja so auf das Singen mit Kindern. Später, wenn man nicht mehr so den natürlichen Kontakt zu seiner Singstimme hat, muss man sich trauen. Da braucht‘s Luft, Stütze und Mut, damit ein Ton erklingt.

Und wenn man ihn nicht so richtig trifft?

Oft blockiert einen der eigene perfektionistische Anspruch – nach dem Motto: Alles, was ich singe, muss gut klingen. Muss es nicht. Es hat halt nicht jeder eine Stimme wie Adele. Hauptsache, man hat Freude dabei, sich mit einem Lied zu beschäftigen. Mein Vorgänger Ernst Schusser hat es mal humorvoll formuliert: Jeder Mensch kann singen, man kann halt nur nicht jedem zuhören.

Es gibt ja immer häufiger sogenannte Pop-up-Chöre, die mit Laien innerhalb kürzester Zeit einen Song einstudieren.

Das ist eine super Idee, um besonders auch junge Leute wieder für das Singen zu begeistern. Man muss sich nicht gleich für eine Vereinszugehörigkeit verpflichten, sondern kann sich einfach ausprobieren. Das machen wir ja auch mit unserem offenen Singen oder dem Wirtshaus-Singen, wo in gemütlicher, geselliger Runde ohne Perfektionsanspruch gesungen wird. Singen in der Gemeinschaft ist ein ganz wichtiges Erlebnis.

Was bedeutet Ihnen der Gesang?

Für mich ist Musik die Verbindung vom Übersinnlichen zur irdischen Welt. Das klingt jetzt vielleicht ein bisserl überschwänglich, aber wenn ich singe, gebe ich etwas von meiner Seele preis. Hinter einem Instrument kann man sich besser verstecken. Wir haben bei jungen Leuten gerade einen riesigen Hype, was die Blasmusik angeht. Singen erfordert dagegen schon noch ein bisschen mehr Mut, aber der lohnt sich.

Sie haben Musikpädagogik studiert und selbst als Musiklehrer gearbeitet. Was müsste denn besser laufen, um Kinder und Jugendliche fürs Singen zu begeistern?

Es gibt diese Grundangst, sich zu blamieren. Da wird oft schon in jungen Jahren einiges kaputt gemacht. Da muss nur einmal eine Lehrerin gesagt haben: Deine Stimme klingt nicht so schön, du bist jetzt lieber mal stad. Solche Sätze prägen sich ein und führen dazu, dass Menschen die Freude am Singen verlieren. Meiner Meinung nach müsste man sich da vom Leistungs- und Benotungssystem frei machen. Wenn wir im Rahmen der Volksmusikpflege mit Kindern singen, dann ist eine unglaubliche Energie und Freude da – auch bei den Kindern, die einfach so vor sich hin brummen. Deswegen gehen wir in die Schulen und in die Kindergärten und wir machen Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte oder Erzieherinnen und Erzieher.

Profitieren die Kleinen von der musikalischen Früherziehung?

Unbedingt! Kinder, die früh singen, haben oft ein besseres Gefühl für ihren ganzen Körper. Singen stärkt das Immunsystem, bringt den Kreislauf in Schwung, macht schlau, verbessert die Ausdrucksfähigkeit und Sprache, macht glücklich, verbindet, baut Aggressionen ab und hilft gegen Angst. Wer singt, hat keine Angst. Untersuchungen haben bewiesen, dass das Angstzentrum beim Singen blockiert wird, weil identische Areale des Gehirns beansprucht werden. Ich habe als Kind immer gesungen, wenn ich etwas aus dem dunklen Keller holen musste (lacht). Ich finde es unglaublich faszinierend, welche Vorteile das Singen mit sich bringt, die man auf den ersten Blick gar nicht so merkt.

Das neue Liederbuch trägt den Titel „Seppal, Schnepeppal“. Das können viele Kinder gar nicht aussprechen, weil die Verwurzelung im Dialekt fehlt.

Es ist tatsächlich besorgniserregend, dass nur noch so wenig Bairisch bei der jüngeren Generation ankommt. Sogar in Familien, in denen die Eltern Dialekt sprechen. Es wäre wichtig, den Dialekt in Kindergärten und in den Schulen zu stärken. Warum soll man nicht mal ein Referat in Mundart halten? Mit unserem neuen Liederbuch können wir da auf jeden Fall einen Beitrag leisten.

Nutzen Sie das Liederbuch mit Ihren Kindern?

Bei uns zu Hause wird rauf und runter gesungen. Für Instrumente sind meine Kinder mit zwei und vier Jahren zwar noch ein bisserl klein, aber sie probieren alles aus. Ich habe sie schon mal in die Posaune blasen lassen und die Blockflöten sind gut genutzt. Mir ist es wichtig, unseren Kindern nichts vorzuschreiben. Sie sollen auf spielerische Weise die Freude an der Musik entdecken. Und das wünsche ich allen Kindern.

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