Bauer verzweifelt an der Bürokratie

von Redaktion

Nicole und Tobias Heidingsfelder in ihrem Schweinestall in Viehbach. © Rainer Lehmann

Viehbach – 2500 Euro Zwangsgeld drohen, wenn Tobias und Nicole Heidingsfelder ihre 29 Schweine am 17. Februar nicht aus ihrem Stall in Fahrenzhausen im Kreis Freising entfernt haben. Im Ortsteil Viehbach ist das Vieh nicht erwünscht, weil der Hof mitten im Dorf liegt, der Mist vorm Stall und viele Fliegen die nur 30 Meter entfernten Nachbarn stören. Das Landratsamt hat die Nutzung des Stalls untersagt. Begründung: Es gebe keine Genehmigung für Viehhaltung. Der Fall eröffnet den Blick auf einen bürokratischen Dauerstreit.

Der 27-jährige Landwirt und seine gleichaltrige Frau träumen vom Leben auf einem eigenen Hof mit ihren Kindern Leni (4) und Ben (2). Noch sind sie hauptberuflich anders unterwegs: Tobias mit einem Hausmeister-Service, Nicole als Kinderpflegerin in Teilzeit. Im Nebenerwerb bewirtschaften sie 50 Hektar Land, bauen Getreide, Kartoffeln und Gemüse an und verkaufen es im Hofladen, in Selbstbedienungsautomaten und auf Märkten. Vor sechs Jahren haben sie auf dem Hof des Großonkels den alten Schweinestall gepachtet – um Schweine tierwohlgerecht auf Stroh zu mästen und deren Fleisch in Direktvermarktung anzubieten. Jetzt gerade tummeln sich 29 Jungschweine im Stall, schnuffeln durch zwei weitläufige Boxen im Stroh.

Bis 2001 hatte auch der Onkel Schweine gehalten. 2019 hat Tobias Heidingsfelder den Stall modernisiert und den Betrieb nach eigenen Worten beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten angemeldet. Das Paar hat investiert: Allein 50 000 Euro für drei Selbstbedienungsautomaten, wo neben Tiefkühl-Braten Hackfleisch und Gulasch angeboten werden. Doch seit 2020 gibt es Streit mit dem Landratsamt Freising. Nachdem sich Nachbarn wegen der Belästigung beschwert hatten, untersagte es die Viehhaltung. Begründung laut Heidingsfelder: Bei den Bauplänen aus dem Jahr 1961 fehle ein Beiblatt, aus dem hervorgehe, für wie viele Tiere der Stall genehmigt worden sei. Für ihn ist das eine Hinhalte-Taktik. „Ich habe nach derzeitigen Richtlinien in dem Stall Platz für über 100 Schweine, halte aber nie mehr als 40. Die Tiere haben dreimal so viel Platz wie vorgeschrieben.“ Allerdings: Einen Auslauf ins Freie gibt es nicht.

Das Landratsamt sieht das auf Nachfrage anders. Nach 20-jähriger Nichtnutzung sei die Genehmigung für die Tierhaltung längst erloschen. Zudem habe sich die baurechtliche Situation in der Umgebung geändert. Heidingsfelders Vorgehen sei eine illegale Nutzungsaufnahme. Schon 2020 sei er darauf hingewiesen worden, dass er eine Lüftungsanlage einbauen müsse – das habe er aber verweigert.

Gegen die anschließende Nutzungsuntersagung hat Heidingsfelder geklagt. Doch das Verwaltungsgericht München und der Verwaltungsgerichtshof haben das Nutzungsverbot bestätigt. So fasste das Paar einen anderen Plan: Von Tobias‘ Mutter haben sie einen Hektar Land im Außenbereich von Viehbach bekommen – Platz für einen modernen Stall für 150 Schweine, mit Stroheinlage und Auslauf. Auch 25 Ochsen sollen gehalten werden. 800 000 Euro kostet so ein neuer Stall, das junge Paar will aber viel in Eigenregie machen. Alles sei durchgerechnet. Selbst ein Wohnhaus und ein Hofladen hätten Platz.

Doch das Landratsamt, das für das Bauvorhaben eine sogenannte Privilegierung attestieren muss, bezweifelt die Rentabilität. „Es handelt sich um eine Investition im Millionenbereich für Wohnhaus, Hofcafé/Hofladen und landwirtschaftliche Nebengebäude. Die Wirtschaftlichkeit eines sich erheblich vergrößernden Betriebs ist dezidiert nachzuweisen“, so das Landratsamt. Ein entsprechendes Wirtschaftlichkeitskonzept fehle bislang ebenso wie der Nachweis von genügend Eigenfläche. Am 17. Januar 2025 habe auch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erklärt, dass wegen unzureichender Unterlagen die Wirtschaftlichkeit nicht zu beurteilen sei. Landrat Helmut Petz (FW) sieht die Gefahr, „dass das gesetzliche Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs für einen nicht überlebensfähigen Betrieb“ ohne entsprechenden Nachweis verletzt werde. Die Gemeinde habe das Vorhaben zweimal abgelehnt wegen fehlender Privilegierung und nicht gesicherter Erschließung. Das Landratsamt könne diese Entscheidung nur ersetzen, wenn die Genehmigung rechtswidrig verweigert worden sei. Die nachgereichten Unterlagen seien noch immer unzureichend.

Laut Heidingsfelder liegt seit Juli 2024 der Bauantrag samt Wirtschaftlichkeitskonzept vor. Der Landwirt muss nun eine alternative Unterbringungsmöglichkeit für seine Schweine finden. Oder die Tiere vorzeitig schlachten lassen, dann könne er sie nur mit Verlust als Spanferkel verkaufen. „Da zahlst drauf.“ Sein Betrieb sei voll auf Eigenvermarktung ausgerichtet. „Wenn ich keine Tiere mehr hab, kann ich meine Selbstbedienungsapparate nicht mehr befüllen.“ Die Kunden kämen zu 70 Prozent wegen Fleisch und Wurst. Es würde ihm reichen, wenn das Landratsamt zunächst den neuen Stall genehmigen würde. Wenn der Stall in Viehbach zugesperrt und der Neubau nicht genehmigt wird, „hat uns das Landratsamt unsere Existenzgrundlage zerstört“.

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