Mit Bauschaum verstopfter Autoauspuff. Das Foto stammt aus Langenau/Baden-Württemberg. © Oliver Heider/SWP
München/Neu-Ulm – Von Russland angestiftete Saboteure haben offenbar 270 Autos mit Bauschaum beschädigt, 123 davon in Bayern und im angrenzenden Baden-Württemberg. An den Autos hinterließen sie Sticker und Papierschnipsel, sodass Ermittler zunächst radikale Klimaschützer oder Grünen-Anhänger als Täter vermuteten – und mit dieser Information („Aktion von Klima-Aktivisten“) im Dezember auch an die Öffentlichkeit gingen.
Das ist aber falsch. Bei den Tätern, 29, 20, 18 und 17 Jahre alt, handelt es sich laut Staatsanwaltschaft Ulm um einen Serben, einen Bosnier, einen Rumänen und einen Deutschen, zumindest die drei jüngeren wohnten in Ulm, dem Alb-Donau-Kreis sowie im Landkreis Günzburg. Sie sollen, so berichtet der „Spiegel“, in Verhören zugegeben haben, von russischen Auftraggebern angestiftet worden zu sein. Über den Messengerdienst „Viber“ habe es Instruktionen für die Sabotageaktionen gegeben. Für jedes beschädigte Fahrzeug sei ein Honorar von 100 Euro versprochen und insgesamt mehrere tausend Euro gezahlt worden. Härtet der Schaum aus, stottert der Motor, im schlimmsten Fall platzt die Abgasanlage.
Sicherheitsexperten sprechen von „low level agents“, weil es sich nicht um groß angelegte und komplizierte Sabotageakte professioneller Agenten handelt, sondern um junge Leute aus dem kleinkriminellen Milieu. Wenn sie auffliegen, sind keine diplomatischen Verwicklungen zu befürchten. Ob das Quartett auch für die Brandanschläge im Raum München infrage kommt, ist eher unwahrscheinlich – zuletzt entstand durch die Brandstiftung im Fuhrpark der Polizeihundestaffel ein Millionenschaden.
Begonnen hatte die Serie offenbar am Sonntag, 8. Dezember, als die Auspuffrohre von rund 90 Autos in Baden-Württemberg am Ulmer Ostbahnhof, an der Donauhalle sowie in kleinen Orten wie Langenau, Blaubeuren und Blaustein mit Bauschaum verstopft wurden. In den beiden Nächten darauf schlugen die Täter in Neu-Ulm zu. Die Polizei berichtete damals, im Neu-Ulmer Stadtteil Offenhausen seien zehn Fahrzeuge mit Bauschaum an Türgriffen und Auspuffrohren beschädigt worden. An den Autos wurden politische Aufkleber hinterlassen, sodass die Taten als Aktion von Klimaschützern gedeutet werden konnte.
Die Täter flogen jedoch rasch auf – denn laut „Spiegel“ kontrollierte eine Polizeistreife am 11. Dezember 2024 gegen 2.10 Uhr in Schönefeld bei Berlin einen Transporter mit drei der vier Tätern. Zunächst ergab die Kontrolle nicht viel – mehrere mitgeführte Dosen Bauschaum deuteten darauf hin, dass es sich schlicht um Handwerker handelte, die noch spät unterwegs waren zur nächsten Baustelle. Doch wurden die Personalien aufgenommen. Als dann am Morgen nach der Routinekontrolle gleich dutzende von Strafanzeigen aus dem Ortsteil Alt-Schönefeld wegen Beschädigung von Autos mit Bauschaum bei der Polizei eingingen – wobei erneut Aufkleber mit Slogans „Sei grüner“ und Fotos eines grinsenden Grünen-Spitzenkandidaten Robert Habeck gefunden wurden –, war die Sache klar: Die jungen Männer wurden verhört, machten einige wenige Angaben und standen seitdem unter Tatverdacht. Sie befinden sich auf freiem Fuß. Warum sie in der Nacht von Bayern bis vor die Tore Berlins fuhren und dort dann zugange waren, ist völlig unklar. Die Ermittlungen dauern an.
„Seit Monaten wird durch Spionage und Sabotage gezielt versucht, Verunsicherung zu schüren, bestehende Konflikte anzuheizen und uns als Gesellschaft zu spalten“, kommentierte der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz die Sabotageserie. Ähnliche Aktionen, bei denen im Auftrag Russlands ein gesellschaftlicher Konflikt zusätzlich befeuert werden sollte, waren nach Einschätzung westlicher Nachrichtendienste auch das Anbringen von Davidsternen auf Häuserwänden sowie eine Farbattacke auf eine Holocaust-Gedenkstätte in Paris.
DW/DPA/AFP