Plagiatsaffäre: Arzt droht Gefängnis

von Redaktion

Prozess um eine raffinierte Intrige gegen renommierten Rechtsmediziner

Aufwendige Ermittlungen: der Angeklagte im Gerichtssaal. Jetzt droht ihm eine mehrjährige Gefängnisstrafe. © Matthias Balk/dpa

München – Im Prozess um aufwendig gefälschte Plagiate fordern Staatsanwaltschaft und Nebenklage zwei Jahre und zehn Monate Haft für den Angeklagten. Er sei schuldig zu sprechen unter anderem wegen Urkundenfälschung, Verleumdung und Betrugs. Bei einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren ist eine Aussetzung zur Bewährung nicht mehr möglich.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 70-jährige Arzt „mit unvergleichlicher krimineller Energie“ eine Intrige gegen den Leiter der Münchner Rechtsmedizin Matthias Graw gesponnen hatte. Die Staatsanwältin spricht von „hinterhältigen, heimtückischen Machenschaften“, deren Ziel es gewesen sei, „die Existenz des Geschädigten restlos zu vernichten“. Die Vorwürfe gegen den Angeklagten hält die Staatsanwaltschaft „in vollem Umfang für bestätigt“. Der Tatvorwurf sei „glasklar nachzuweisen“.

Mit einem kaum fassbaren Aufwand wollte der 70-jährige Angeklagte, so die Anklage, den Ruf des Rechtsmediziners ruinieren. Laut Staatsanwaltschaft hatte er von Ghostwritern einen vermeintlich wissenschaftlichen Sammelband aus dem Jahr 1982 zu einem rumänischen Medizinerkongress verfassen lassen. Der über 300 Seiten lange Band enthielt nichts als Fälschungen, die Wissenschaftstagung gab es offenbar gar nicht. Einzelne kleine Fehler leistete sich einer der nie identifizierte Ghostwriter. So verwechselte er den Vor- und Nachnamen einer rumänischen Ärztin, die angeblich einen Aufsatz zu dem Band beisteuerte. Darin seien gezielt Passagen aus der Doktorarbeit des Rechtsmediziners eingebaut worden. So habe der Eindruck entstehen sollen, Graw habe für seine Dissertation abgeschrieben.

Eigens gedruckte Exemplare des Bandes ließ der Angeklagte – selbst Träger zweier Doktortitel – den Ermittlungen zufolge dann auf einer Auktionsplattform im Internet versteigern. Zudem beauftragte er einen Salzburger Plagiatsjäger, den er explizit auf das Buch hinwies. Er und andere gingen am Ende mit ihren Ergebnissen eines vermeintlichen Plagiatsskandals an die Öffentlichkeit und informierten die Universität Hamburg, die ein Prüfverfahren einleitete. 2022 flog der Schwindel auf, die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein.

Als Motiv des Angeklagten vermutet die Staatsanwaltschaft Rache. Er habe sich am Rechtsmedizinischen Institut dafür rächen wollen, dass seine Mutter nach ihrem Tod im Jahr 2020 gegen seinen Willen obduziert worden war. Die Staatsanwaltschaft hatte damals Ermittlungen aufgenommen, um zu klären, woran die Frau gestorben war. Diese Ermittlungen wurden nach Angaben einer Sprecherin der Behörde allerdings schon 2021 eingestellt.

Ursprünglich hatte das Gericht am Donnerstag das Urteil in dem Verleumdungsfall sprechen wollen, das war aber wegen eines noch offenen Befangenheitsantrages zunächst nicht möglich. Weil die Verteidiger des Angeklagten allein sieben neue und allesamt abgelehnte Beweisanträge stellten und auch mehrere Befangenheitsanträge gegen das Gericht, verzögerte sich die Verhandlung und wurde immer wieder unterbrochen.

Die beiden Anwälte sahen sich auch nicht in der Lage, nach dem Schlussvortrag von Staatsanwaltschaft und Nebenklage ihr Plädoyer zu halten. Das soll nun am 18. Februar der Fall sein. Dann will das Gericht auch das Urteil sprechen.
DW/DPA

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