Promille-Risiko auf der Piste

von Redaktion

Ein Schnaps auf der Hütte gehört für viele Wintersportler zur Pistengaudi dazu.

Anstoßen auf den Pistenspaß: Ein Skifahrer schenkt sich ein Glas Sekt ein. © IMAGO (2)

Murnau – Hüttengaudi und Alkohol gehören für viele Wintersportler zusammen. In einer aktuellen Umfrage des Kuratoriums für Verkehrssicherheit in Österreich bejahten das 38 Prozent der Teilnehmer. Zehn Prozent gaben sogar an, im vergangenen Jahr regelmäßig betrunken Wintersportarten wie Skifahren oder Rodeln betrieben zu haben. 13 Prozent taten dies gelegentlich. Hochgerechnet dürften vergangenes Jahr rund 200 000 Menschen betrunken auf den Pisten unterwegs gewesen sein. In der Ski-Hochburg Österreich verletzten sich im gleichen Zeitraum 30 000 Menschen beim Wintersport so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. In wie vielen Fällen Jagertee, Obstler & Co. Ursache dafür waren, ist unklar. Weder in Österreich noch in Deutschland wird das statistisch erfasst. Experten gehen aber von einer hohen Dunkelziffer aus.

Professor Fabian Stuby ist Ärztlicher Direktor der Unfallklinik Murnau. Auf seinen OP-Tischen liegen nicht nur Skifahrer, die sich in der Region verletzt haben. Patienten werden auch von jenseits der Grenze her transportiert. Weit über 50 Skiunfälle haben die Murnauer Ärzte in der laufenden Saison schon behandelt. Typische Verletzungen: Ober- und Unterschenkelfrakturen, Knieverletzungen wie Verdrehtraumen mit Kreuzbandruptur und andere Bänderrisse. „Derzeit operieren wir nahezu täglich eine Tibiakopffraktur“, sagt Stuby. Der Bruch am oberen Schienbein ist eine üble Verletzung des Kniegelenks. „Wir haben diese Saison auch schwere Schädelverletzungen behandelt. Darunter waren Skifahrer, die sich trotz Helm schwer an Nase, Kiefer oder Augenhöhlen verletzt hatten.“

Gerade machen die Berliner Skiurlaub, Anfang März wieder die Bayern – die Murnauer Chirurgen wissen genau, welches Bundesland wann Ferien hat. Allerdings nur vage, wie viele der zu behandelnden Verletzungen auf das Konto von Alkohol gehen. „Welcher Patient gibt das schon offen zu?“, fragt Stuby. „Wir sind oft nicht die erste Anlaufstelle und können schwer beurteilen, wie viele sich unter Einfluss von Alkohol verletzt haben. Wer vormittags verunfallt und direkt bei uns eingeliefert wird, wird schätzungsweise noch nicht so viel getrunken haben. Nach dem Mittagessen oder abends nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass alkoholische Getränke konsumiert worden sind.“

Der eine wedelt nach drei Bier noch wie ein junger Gott die Abfahrt hinunter, der andere hat zittrige Knie. Die gleiche Menge Alkohol wirkt sich auf jeden Menschen anders aus. Mancher wird leichtsinniger, mancher kämpft gegen Müdigkeit. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verzögert sich unser Reaktionsvermögen schon ab 0,2 Promille. Ab 0,5 Promille gibt es erste Einschränkungen des Sehfeldes und die Reaktionsfähigkeit lässt deutlich nach.

„Jedes alkoholische Getränke beeinträchtigt, also ist jedes eines zu viel“, sagt Stuby. Eine gesetzlich geregelte Promille-Grenze von 0,5, wie sie auf Südtiroler Pisten gilt, würde der Arzt aus medizinischer Sicht deshalb generell für sinnvoll erachten. „Sie müsste eigentlich bei 0,0 Promille liegen. Denn koordinativ ist Skifahren herausfordernder, als beim Autofahren auf Pedale zu steigen. Außerdem geht es auch beim Skifahren nicht nur um Eigen- sondern auch um Fremdgefährdung.“

Wer in Südtirol den im Pisten-Sicherheitsgesetz festgelegten Grenzwert überschreitet, muss seit 2022 mit einem Bußgeld von 250 bis 1000 Euro rechnen. Skifahren mit 0,8 Promille oder mehr wird dort als Straftat geahndet, so wäre laut ADAC sogar eine Gefängnisstrafe möglich. Parallel dazu wurde in Italien auch die Pflicht zur Haftpflichtversicherung erlassen. Sie sichert ab, sollte man eine andere Person verletzen oder Sachschäden verursachen. Generell gilt aber: Selbst mit so einer Privatversicherung kann es massive Probleme geben, wenn man einen Unfall nachweislich in betrunkenem Zustand verursacht und damit bewusst in Kauf genommen hat. Das ist auch in Bayern, Österreich und der Schweiz so.

Auch Thomas W. Holz, Vorsitzender des Bayerischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit und Tourismus-Experte der Landtags-CSU, rät Wintersportlern generell dringend dazu, den persönlichen Versicherungsschutz regelmäßig zu prüfen – nicht nur hinsichtlich der Sporthaftpflicht, sondern auch der Such-, Rettungs- und Bergungskosten. Von einer Pflicht per Gesetz hält er aber nichts, ebenso wenig wie von einer Promille-Grenze auf Bayerns Pisten.

„Dass es Unfälle aufgrund von Alkohol gibt, ist unstrittig, aber sie sind hier nicht die Masse. Après-Ski spielt in Bayern keine so bedeutende Rolle wie in österreichischen Skigebieten und findet vorwiegend im Tal statt“, sagt er. Das Kuratorium für Alpine Sicherheit fordere ähnlich zur Helmpflicht-Frage bewusst keine Promille-Verbote. „Es ist schlichtweg nicht leistbar, ein derartiges Verbot auch nur ansatzweise zu kontrollieren. Nicht zuletzt dürfte die gesellschaftliche Akzeptanz dafür sehr gering sein.“ Das Kuratorium hält sich weiter an Appelle an die Eigenverantwortung der Wintersportler und unterstützt Kampagnen wie die des Olympischen Sportbunds „Alkohol und Sport: Das passt einfach nicht zusammen!“

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