Steuern auf VHS-Kurse?

von Redaktion

Bund will nicht-berufliche Weiterbildung teurer machen

Ein Computerkurs für Senioren: Rentner würde die Gesetzesänderung hart treffen. © dpa

München – Es sind keine leichten Zeiten für die Volkshochschulen. Erst im November erreichten Regine Sgodda und die anderen Mitglieder im bayerischen VHS-Verband schlechte Nachrichten aus Berlin. Damals ging es darum, dass für die Integrationskurse im Bundeshaushalt nicht einmal die Hälfte der Mittel eingeplant sind, die die Volkshochschulen brauchen. Der Bundesfinanzminister heißt inzwischen nicht mehr Christian Lindner (FDP), sondern Jörg Kukies (SPD). Doch schon kam die nächste Hiobsbotschaft aus dem Ministerium – und die stellt die Volkshochschulen und andere Weiterbildungseinrichtungen vor eine noch viel größere Herausforderung.

Geplant ist eine Änderung im bereits verabschiedeten Jahressteuergesetz. Weiterbildung soll nur dann steuerfrei bleiben, wenn sie einen unmittelbaren Bezug zu einem Beruf oder der Berufswahl hat. Alle anderen Kurse ordnet das Ministerium in die Kategorie Freizeit ein – und will auf sie eine Umsatzsteuer von 19 Prozent erheben. Das Ministerium verweist auf die europäische Rechtssprechung, wonach Kurse zur Freizeitgestaltung nicht von der Umsatzsteuer befreit werden dürften. Bis jetzt handelt es sich um einen Änderungsentwurf, erklärt Sgodda. Alle betroffenen Verbände hatten bis vergangenen Freitag die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben. Jetzt könnte das Ministerium die Änderung jederzeit rückwirkend zum 1. Januar erlassen – ganz unabhängig von der bevorstehenden Bundestagswahl. Das könnte laut Sgodda in den nächsten Tagen passieren. Oder auch noch nicht. „Wir hoffen, dass die Stellungnahmen in Berlin sehr genau gelesen werden und das Ministerium berücksichtigt, welche Probleme wir sehen.“

Und das sind einige: Sgodda geht davon aus, dass auf die Volkshochschulen und die kommunalen Verwaltungen viel zusätzliche Bürokratie zukommt. Und jede Menge Chaos. „Nicht überall wird gleich entschieden werden, was berufliche Weiterbildung und was Freizeit ist“, fürchtet sie. „Jeder Kurs muss einzeln angeschaut werden.“ Ein Kurs zur Stärkung der Persönlichkeit könne für manche Teilnehmer ganz entscheidend sein, um eine Stelle zu bekommen, betont sie. Und auch in handwerklichen Kursen könnten Teilnehmer sitzen, die sich mit dem dort erlernten Wissen selbstständig machen wollen. Sgodda würden noch viele andere Beispiele einfallen. Kurse, die der Stärkung der Demokratie und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen. „Und auch ein Töpferkurs am Abend kann wesentlich dazu beitragen, den beruflichen Stress abzubauen, was wiederum der Gesundheit dient.“

Die Volkshochschulen wollen ihr Angebot bewusst niedrigschwellig halten. Nun fürchten sie, dass sich viele Menschen die Kurse künftig nicht mehr leisten können, wenn eine Umsatzsteuer von 19 Prozent anfällt. „Wir spüren jetzt schon, dass viele unserer Teilnehmer rechnen müssen“, sagt Sgodda. Am härtesten treffen wird es vermutlich die Senioren – jeder fünfte Teilnehmer eines VHS-Kurses in Bayern ist über 65 Jahre alt. „Mit dieser Entscheidung würde eine komplette Altersgruppe diskriminiert.“ Und gerade die Gruppe, für die Weiterbildungskurse wichtig sind, um sich körperlich und geistig fit zu halten. „Oder um nicht zu vereinsamen.“ Der VHS-Verband spricht in einer Mitteilung sogar von einem „realitätsfernen Alleingang der Ministerialbürokratie“. Gerade in Zeiten der KI-Revolution, des globalisierten Arbeitens und starker gesellschaftlicher Spannungen würden Weiterbildungskurse überfachliche Kompetenzen vermitteln – zum Beispiel Kommunikationsstärke oder soziale Kompetenz.

Noch hat der Verband die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Änderung nicht umgesetzt wird. Er beruft sich auf das Bayerische Erwachsenenbildungsförderungsgesetz, das ausdrücklich die Förderung lebenslangen Lernens vorsieht und bewusst darauf verzichtet, Bildung und Freizeit gegenüberzustellen. Die Volkshochschulen haben sich an Bayerns Finanzminister Albert Füracker gewandt. Die CSU wolle das Thema als Dringlichkeitsantrag in den Landtag einbringen, um fraktionsübergreifend eine Antwort zu finden, sagt Sgodda. „Andere Bundesländer machen dasselbe. Wir hoffen, dass sie Berlin gemeinsam darauf aufmerksam machen, dass diese Änderung völlig falsch wäre.“
KATRIN WOITSCH

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