Ein Kruzifix aus Holz hängte Markus Söder in seinen ersten Tagen als bayerischer Ministerpräsident im April 2018 in der Staatskanzlei auf. Für den sogenannten Kreuzerlass erntete er viel Kritik. © Peter Kneffel/dpa
München – Über seinen christlichen Glauben redet Markus Söder (CSU) so offensiv wie kein anderer Ministerpräsident zuvor. „Beten gehört für mich zum normalen Tagesablauf dazu“, bekennt er. Weisheit, Kraft und Gelassenheit wünsche er sich, doch: „Ich bitte nie um ein bestimmtes Ergebnis, sondern lege die Entscheidung in die Hände Gottes.“ Zweimal besuchte der Protestant schon Papst Franziskus. Als Benedikt XVI. starb, charterte Söder eine Sondermaschine, um mit einer Delegation an der Begräbnisfeier teilzunehmen. Und als die Kultusministerin von den Freien Wählern laut darüber nachdachte, den Religionsunterricht an Grundschulen zugunsten von Mathe und Deutsch zu kürzen, sprach Söder ein Machtwort.
Vermutlich hat Söder ein wenig mehr Dankbarkeit von den Kirchen dafür erwartet – beim Nürnberger CSU-Parteitag zog er vergangenes Wochenende andere Saiten auf. Als Vertreter von katholischer und evangelischer Kirche die Migrationspolitik der Union kritisierten, hob Söder rhetorisch den Zeigefinger: „Ich weiß, wie plural Kirchen organisiert sind. Deswegen keine Kritik, aber vielleicht als kleiner Merkposten: Nicht vergessen, wer am Ende noch an der Seite der Institution Kirche steht. Das sind nämlich wir. Nicht, dass irgendwann man ganz plötzlich alleine steht. Denkt mal darüber nach.“ Söder erwähnte auch gleich noch das liebe Geld: „Bayern steht zu den Kirchen wie kaum ein anderes Bundesland. Wir sind wohl das kirchenfreundlichste Bundesland in Deutschland. Sei es mit Kreuzen, Religionsunterricht, Steuern – Gehälter übrigens, die bezahlt werden.“
Tatsächlich fließen jährlich Millionenbeträge aus der Staatskasse an die Kirchen. Sie bekommen diese Staatsleistungen, aus denen auch Bischofsgehälter und deren Wohnungen gezahlt werden, für die Enteignung deutscher Kirchen und Klöster Anfang des 19. Jahrhunderts. Zuletzt waren es bundesweit rund 550 Millionen Euro pro Jahr. Für 2023 waren im bayerischen Staatshaushalt für die Staatsleistungen an die römisch-katholische Kirche rund 77 Millionen Euro veranschlagt, für die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern rund 26 Millionen Euro. Dazu kommen 27 Millionen für kirchliche Gebäude. So zahlen auch die Steuerzahler für Glaubensgemeinschaften, die damit gar nichts zu tun haben – und das werden Jahr für Jahr mehr. Im Raum steht daher eine „Ablösung“ der jährlichen Zahlungen durch eine Milliardensumme. Söder lehnt das bislang ab.
Gilt also: Wer zahlt, schafft an? Offiziell gibt es keine Stellungnahmen der großen Kirchen, obwohl auf katholischer Seite immerhin der Papst in Rom höchstpersönlich immer wieder zu einem menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten aufruft. Aber hinter den Kulissen grummelt es auch hier gewaltig. „Das ist mir zu primitiv, das kann man nicht ernst nehmen, es ist Wahlkampf“, sagte ein leitender Geistlicher, der nicht genannt werden will, am Montag. Der katholische Pfarrer von Starnberg, Andreas Jall, kritisierte als Privatperson, er warf Söder „Trumpismus“ vor.
Die SPD-Fraktion im Landtag klagt an, Söder würde die Unabhängigkeit der Kirchen angreifen. „Ganz nach dem Motto: Kreuz an die Wand, Kritik an die Leine“, sagte die kirchenpolitische Sprecherin, Katja Weitzel. Und sogar der frühere CSU-Chef Erwin Huber zeigte sich laut BR „verwundert“ über diesen „Tritt gegen die Kirchen“. Die Kirchen seien keine politischen Gegner der CSU. „Im Übrigen würde ich durchaus sagen, sollte man mahnende Worte der Kirchen ernst nehmen und sie nicht als Angriff missverstehen.“
Es ist nicht der erste Krach zwischen Freistaat und Kirchen. Kurz nach seinem Amtsantritt 2018 veranlasste Söder, in allen Landesbehörden Kreuze aufzuhängen. Kardinal Marx warf ihm daraufhin vor, „Spaltung, Unruhe, Gegeneinander“ ausgelöst zu haben. „Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen wird, hat man es nicht verstanden.“ Später fanden sie wieder zueinander.
Einer, der erst vor ein paar Tagen die CSU verlassen hat, ist der 71-jährige Hermann Imhof. 15 Jahre lang saß der frühere Nürnberger Caritasdirektor und Sozialpolitiker für die Partei im Landtag. Die Zustimmung der AfD für Anträge in Kauf zu nehmen, sei für ihn ein Tabubruch gewesen, erläuterte er seinen Schritt. Und empörte sich zugleich darüber, dass seit Monaten eine „nicht differenzierte, unseriöse Migrationsdebatte“ geführt werde.
KNA/DPA/CAZ