Gams-Streit brodelt vor Gericht

von Redaktion

Gegner wie Befürworter der Jagd warten auf ein Urteil aus Leipzig

Gämsen sind nicht so selten, wie man bisher dachte: Hier zwei Tiere, Bock und Weibchen, im steilen Gelände. © IMAGO

München – Ist die Gams in Gefahr? Oder ist die Gams eine Gefahr? Das Symboltier der Alpen beschäftigt Behörden, Naturschützer, Justiz und Jäger. In der Frage, ob die Gams in Schutzgebieten der Bergwälder ganzjährig gejagt werden soll, gibt es unterschiedliche Positionen: Die Bayerischen Staatsforsten setzen auf eine Aufhebung der Schonzeit. Dagegen haben der Bayerische Jagdverband (BJV) und der Verein Wildes Bayern zunächst erfolgreich geklagt. Vom Tisch ist das Thema damit nicht.

Auf rund 10 000 Hektar Schutzwaldfläche laufen derzeit Sanierungsmaßnahmen: Es werden Bäume gepflanzt, die in 30 bis 50 Jahren hochgewachsen sein sollen. Deren junge Triebe seien jedoch für das Gamswild „besonders wohlschmeckend“, so ein Sprecher der Staatsforsten. So richteten die Tiere große Schäden an. Laut dem von Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) im November vorgestellten „Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2024“ nahmen Schäden durch Wildverbiss in den vergangenen drei Jahren deutlich zu, bei der Tanne stiegen sie beispielsweise von 17 auf 23 Prozent.

Durch die Schonzeitaufhebung durfte Gamswild in den Waldsanierungsgebieten mit wenigen Ausnahmen ganzjährig gejagt werden. Doch die 2019 erlassene und im Juli 2024 ausgelaufene Verordnung erklärte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im November 2024 rückwirkend für unwirksam. Im Dezember 2024 erließ die Regierung von Oberbayern erneut eine solche Verordnung. Dagegen ging der Jagdverband mittels Eilantrag beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vor – und bekam vorläufig Recht.

Ein Gerichtssprecher verwies darauf, dass die neue Verordnung inhaltlich weitestgehend mit der Vorgängerverordnung übereinstimmte. Und weil die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichtes noch nicht vorliege, lasse sich nicht überprüfen, ob die dort festgestellten Unwirksamkeitsgründe auch bei der Nachfolgeverordnung griffen.

Auftrieb bekommen die Jagd-Befürworter durch neue Zahlen zum Gams-Bestand: Die Staatsforsten veröffentlichten jüngst die Ergebnisse eines Monitorings. Da heißt es: „Nachdem 2023 im Vergleich zum Vorjahr etwas weniger Tiere bei der Zählung erfasst wurden, geht der Trend 2024 wie berichtet wieder nach oben.“ Die bislang vorliegenden Zählergebnisse legten nahe, dass die Bestände stabil seien (2022: 2060, 2023: 1894, 2024: 1982). Eine gesicherte Beurteilung des Bestandes soll nach zehn Zähljahren vorliegen. Christine Miller, Vorsitzende des Vereins Wildes Bayern, kritisiert die Zählmethodik des Monitorings indes als mangelhaft. Sie räumt aber ein, dass es in einzelnen Regionen wie dem Karwendel der Gams „sicher gut geht“.

Aus Sicht des Jagdverbandes befördert der erhöhte Jagddruck den Verbiss in den Wäldern, da sich das Wild dann Schutz suchend in die Wälder zurückziehe und dort an Zweigen knabbere anstatt auf Wiesen zu äsen. Außerdem verbrauchten die Tiere durch das verstärkte Bejagen mehr Energie und müssten daher mehr fressen.

Der Bund Naturschutz sagt hingegen, ein wichtiges Ziel der Schonzeitaufhebung sei es, durch den erhöhten Jagddruck die Gämsen aus den Schutzwald-Sanierungsgebieten in höhere, weniger bewaldete Regionen zu vergrämen.

Jetzt warten alle Beteiligten auf die Urteilsbegründung aus Leipzig. Ein Sprecher der Regierung von Oberbayern teilte mit, dass insofern momentan keine neue Verordnung in Arbeit sei. Der Jagdverband arbeitet einer Sprecherin zufolge derweil nach dem Eilantrag nun am Hauptsacheantrag, der ebenfalls bei Gericht eingereicht werden soll.
UTE WESSELS

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