Eine Werkslok schiebt Waggons mit Steinkohle zum Kraftwerk. © Rainer LEHMANN
Zolling – Seit 1958 liefert das Kohlekraftwerk in Zolling (Kreis Freising) Strom – doch nach 67 Jahren ist nun Schluss. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wird die Anlage abgeschaltet, bestätigte eine Sprecherin des Betreibers Onyx Power. Damit endet faktisch das Kohlezeitalter in Bayern, denn die Anlage in Zolling ist das letzte große Kohlekraftwerk im Freistaat, nachdem im vergangenen Jahr das Heizkraftwerk München-Nord vom Netz gegangen war. Nur in Schweinfurt gibt es jetzt noch zwei sehr kleine Kohlekraftwerke.
„Damit ist der bayerische Kohleausstieg geschafft“, jubelt Martin Stümpfig, energiepolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. „Sonne und Wind haben das letzte Kohlekraft in Bayern aus dem Markt gedrängt.“ Das sei „ein riesiger Erfolg“ – nicht zuletzt auch deshalb, weil das Kohlekraftwerk ein riesiger CO2-Emittent war. Nach seiner Berechnung stieß das Kraftwerk 2021/22 1,4 Millionen Tonnen des Treibhausgases aus. Das ist in etwa so viel wie ein Auto, das zehn Milliarden (!) Kilometer weit fährt.
Zolling war zeitweise ein Gigant der Stromproduktion. Den Anstoß zum Bau im Hinterland von Freising gab in den 1950er-Jahren der damalige Chef der Isar-Amperwerke, Heinrich Leininger. Ausschlaggebend für die Standortwahl war wohl die Nähe zur Amper, die das Kühlwasser liefert. Der 80 Meter hohe Kühlturm ist nur für den Notfall da, um das Flusswasser nicht zu stark zu erhitzen. Später ging die Anlage mit dem markanten 220 Meter hohen Kamin zum Bayernwerk über, dann zu Eon, später zu weiteren Konzernen, ehe sie an Onyx verkauft wurde. Mitten auf dem Land lieferten bisher zwei bis drei Güterzüge täglich Steinkohle aus Polen und der halben Welt an, die dann zu Staub vermahlen und verbrannt wurde – mehr als eine halbe Million Tonnen im Jahr. Von der Leistungsfähigkeit entsprach Zolling einem halben Kernkraftwerk der Größe von Isar 1.
Doch wegen des Zubaus regenerativer Energie und des beschlossenen Kohleausstiegs lohnt sich das immer weniger. Oft lief die Anlage nur einige Stunden am Tag. 2022 bewarb sich Onyx erfolgreich bei der Bundesnetzagentur um die Stilllegung, die nun am Freitag in Kraft tritt.
Allerdings wurde das Kraftwerk als „systemrelevant“ eingestuft, sagt Sprecherin Viktoria Schierenbeck. Bis 31. März 2031 ist es als „Netzreserve“ eingestuft. Das bedeutet: Bei Engpässen in der Stromversorgung muss gewährleistet sein, dass die Anlage in Zolling schnell wieder anlaufen kann. Innerhalb von vier Stunden kann sie auf Volllast hochschalten. Grünen-Energiefachmann Stümpfig hält das für eine eher theoretische Überlegung. Ein Gaskraftwerk sei viel flexibler. Vier Stunden seien bei den Schwankungen im Strommarkt eine lange Zeit – nur Atomkraftwerke seien noch schwerfälliger.
Auch in den letzten Tagen vor der Abschaltung läuft das Kraftwerk jetzt noch auf vollen Touren. Aus dem Kamin schießt Wasserdampf in weißen Wolken. Außerdem rollen die Kohlezüge wie eh und je, Steinkohle türmt sich zu hohen Halden. Das liege aber auch daran, dass in Zolling Kohle für andere Kraftwerke gelagert werde, sagt die Sprecherin. Eine Stilllegungsparty von Onyx wird es nicht geben. Für die 140 Beschäftigten in Zolling ändere sich nicht viel, sagt die Sprecherin. Sie werden am Standort bleiben, müssen Wartungsarbeiten am Kohlemeiler durchführen.
Außerdem betreibt Onyx auf dem Firmenareal auch noch ein Biomasse-Kraftwerk, in dem Schnitzel aus Altholz verbrannt werden, hergestellt vor allem aus Altmöbeln von Wertstoffhöfen. Onyx will den Standort langfristig als „modernen Energiepark“ weiterbetreiben. Angedacht ist der Bau eines Gaskraftwerks, eventuell soll es auch wasserstofffähig werden.
DIRK WALTER