PORTRÄT

Ein Musiker und sein Roboter-Gitarrist

von Redaktion

Elektrisches Duo: Der Münchner Hannes Mittermaier und der Roboter Hellga Tarr rocken auf E-Gitarren. © Martin Duffy

Ein Roboter mit Silikon-Brüsten, der Gitarre spielt – das gibt‘s wirklich! Sein Name: „Hellga Tarr“. Er spielt im Duett mit dem Münchner Hannes Mittermaier. Ihr erster gemeinsamer Song: „Tabula Rasa“. Den gibt‘s seit 10. Januar auf den Streamingdiensten. Wie der 30-Jährige auf den menschengroßen Gitarrenroboter kam und warum Hellga für ihn gender-neutral ist.

Ein Schreibtisch, darauf ein Miniatur-E-Piano und vier große Displays – auf denen leuchtet eine goldene Gitarre mit buntem Roboterkopf: das Cover von Mittermaiers neuem Song „Tabula Rasa“. Den spielt er mit einem Gitarrenroboter! Mittermaier sitzt in seinem Musikzimmer auf einem Schreibstuhl direkt davor. Um ihn herum stehen mehrere E-Gitarren, denn: Er ist passionierter Gitarrist. „Ich habe mit elf Jahren mit Gitarrespielen angefangen“, erzählt er. Damals noch auf der Akustikgitarre. Sein Themenschwerpunkt heute: Elektromusik. Und: Elektroroboter! Denn sein Duett-Partner ist der Gitarrenroboter Hellga Tarr.

Ihr erster gemeinsamer Song ist ein metallischer Rocksong. Im Musikvideo ist Hellga nicht zu übersehen: menschengroß, mit zwei kugelförmigen blauen Augen und zwei Brüsten aus Silkon. Trotz weiblichen Namens und Brüsten: „Für mich ist Hellga geschlechtsneutral“, sagt Mittermaier. Hellga spielt ihren Song auf einer Elektrogitarre, der Gibson SG. Das Gitarrenmodell ist den meisten wohl durch Angus Young von AC/DC bekannt. Hellga schlägt die Saiten an, verändert die Handstellung und spielt real wie ein Mensch. Aber: Jeder Saitenanschlag ist präzise programmiert. Fehlergefahr: Null – vorausgesetzt die Programmierung stimmt.

Mittermaier schloss kürzlich sein E-Gitarrenstudium am Berklee College of Music in Boston ab – über Online-Kurse. Wie kam er von Elektromusik zum Roboter? „Ich habe im Deutschen Museum den Gitarrenroboter „Fingers“ gesehen und den Ingenieur Markus Kolb kontaktiert“, erzählt er. „Fingers“ steht dort in der Robotik-Ausstellung. Seine Schwester: „Hellga Tarr“. Hellga steht damals in einer Werkstatt in Berlin. Die Geschwister gehörten zur Roboterband „Compressorhead“, die Kolb in Berlin gründete. Das war 2013. „Kolb komponiert nicht selbst, deshalb habe ich entschieden: Ich mach‘s!“, sagt Mittermaier. Vorletztes Jahr schrieb er „Tabula Rasa“. Das Musikvideo entstand in Berlin mit Unterstützung von Musikproduzent Oliver Sommer – der arbeitete schon mit Showgrößen wie Helene Fischer oder Kerstin Ott.

Wenn Mittermaier nicht gerade Songs schreibt, lehrt er an der LMU – aber: nicht Robotik, sondern Deutsche Literatur. Seine Doktorarbeit schrieb er in Philosophie. Deshalb wählte er ein Zitat von John Locke als Songtitel: „Tabula Rasa“ drückt aus, dass etwas leer ist und bereit für Neues. „Ich will einen Nullpunkt setzen, denn mit Hellga ist das eine Art Neuschöpfung, dazu noch im neuen Jahr mit neuem Song“, erklärt Mittermaier. Sein nächstes Ziel: ein ganzes Album des Mensch-Maschine-Duetts.
ANTONIA BENZ

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