„Sprach-Kitas sind ein Geschenk“

von Redaktion

Sprechtraining kann Spaß machen: Ildiko Omelcenko trainiert mit den Kindern das Sprachgefühl. © Johannes Dziemballa

Markt Schwaben – Marco liebt die Vormittage mit Lichttisch. Mit vier anderen Vorschulkindern sitzt der Fünfjährige nach vorne gebeugt vor der großen Platte, die die Erzieherin Ildiko Omelcenko gerade auf den Tisch gelegt hat. Esma bekommt die kleine Fernbedienung heute als Erste. Sie lässt die Platte rot leuchten. Dann legt sie mit bunten Steinen eine kleine Blume darauf. Jetzt ist Diego dran, er will einen Strand. Blaues Licht ist jetzt gefragt. Marco baut zu dem Strand eine Palme. Dafür muss er Esmas Blume zur Seite schieben. „Damit sie die Palme nicht nervt“, sagt er.

Ildiko Omelcenko beobachtet, was die Kinder legen. Vor allem aber hört sie ganz genau zu. Und sie stellt viele Fragen. Denn in dieser Lichttisch-Runde geht es nicht nur um Kreativität – sondern vor allem um Sprechfreude. Heute ist es Omelcenkos Ziel, die Kinder zum Reden zu bringen. Alle fünf Vorschüler, die sie an dem Tisch versammelt hat, brauchen noch etwas Hilfe. Bei ihnen haben die Sprachtests Förderbedarf ergeben. Deshalb holt Omelcenko sie pro Woche für anderthalb Stunden aus ihren Gruppen und übt mit ihnen. Damit sie bei ihrer Einschulung im Herbst keinen Nachteil haben.

Früher war Ildiko Omelcenko Erzieherin im Kinderland in Markt Schwaben (Kreis Ebersberg). Seit 2021 ist die Einrichtung aber eine Sprach-Kita. Omelcenko hat sich zur Sprach-Fachkraft weiterbilden lassen. Das Kinderland hat als Sprach-Kita eine zusätzliche Stelle bekommen. 19,5 Stunden, komplett gefördert. Diese 19,5 Stunden fließen ausschließlich in die Sprachförderung der Kinder. „Das Sprach-Kita-Programm ist ein Geschenk“, sagt Kinderland-Leiterin Simone Licher. Besonders seit Bayern die Sprachtests für Kindergartenkinder mit einem neuen Gesetz intensiviert hat.

Damit kein Kind mit zu schlechten Deutschkenntnissen eingeschult wird, werden alle Vorschulkinder anderthalb Jahre vor dem Schulstart auf ihre sprachlichen Fähigkeiten geprüft. Diese Sprach-Tests gibt es schon lange – und nicht nur in Sprach-Kitas, sondern in allen Einrichtungen. Neu ist seit diesem Jahr, dass die Grundschulen ebenfalls Sprachstandserhebungen durchführen – bei allen Kindern, bei denen die Kita-Tests Förderbedarf ermittelt haben oder die gar keine Kita besuchen. Deren Eltern bekommen zurzeit Termine für die Tests, die im März und April in den Schulen stattfinden. Nur die Grundschulen können anordnen, dass die Kinder an einem Vorkurs Deutsch in einer Kita teilnehmen müssen, sollten sie den Test nicht bestehen.

Sprach-Kitas wie das Kinderland Markt Schwaben stellt das neue Gesetz vor keine große Herausforderung. Viele andere Kitas schon. Sie müssen die Sprachförderung nebenher stemmen. Vielen Einrichtungen fehlt ohnehin schon Personal. Auch die Sprach-Screenings in den Kitas sind zeitaufwendig, sagt Licher. Für jedes Kind müssen Beobachtungsbögen ausgefüllt und ausgewertet werden. Sie hat sich gewundert, dass es in den Schulen nun einen zweiten Test gibt. „Ich vermute aber, dass nicht alle Kitas die Tests anderthalb Jahre vor Schulbeginn geschafft haben.“ Außerdem seien die Kinder, die keine Kita besuchen, bisher gar nicht getestet worden.

Kitas, die Kinder mit Sprachförderbedarf betreuen, mussten schon immer einen Vorkurs Deutsch anbieten. Kita-Fachkräfte werden dafür fortgebildet. Damit die Teilnahme dazu angeordnet werden kann, seien aber die zusätzlichen Sprach-Tests in den Schulen nötig, erklärt das Kultusministerium. Durchgeführt werden die Tests dort von Beratungslehrern und Schulpsychologen. Die kindgerechten Tests beinhalten Aufgaben zum Wortschatz, zum Satzverständnis und zum phonologischen Gedächtnis. Ein halbes Jahr vor dem Schulstart wird der Sprachstand der Kinder mit Förderbedarf noch ein weiteres Mal überprüft.

Das Kinderland in Markt Schwaben hatte sich 2021 für die Sprach-Kita-Förderung beworben. Damals war das noch ein Bundesprogramm. Als das im Sommer 2023 auslief, sprang der Freistaat mit Landesmitteln ein. Pro Einrichtung wird eine halbe Stelle in Höhe von 32 000 Euro pro Jahr gefördert. Aktuell gibt es in Bayern 469 Sprach-Kitas, im Haushalt stehen dafür 25 Millionen Euro zur Verfügung. Doch die Förderung läuft zum Jahresende aus. Wie es dann weitergeht, wissen Simone Licher und die anderen Einrichtungsleiter noch nicht. Sie hofft, dass das Programm fortgeführt wird. In ihrem Kinderland liegt der Anteil der Mädchen und Jungen aus Migrantenfamilien bei 25 bis 30 Prozent. Tendenz steigend. Und auch der Förderbedarf bei Kindern aus deutschsprachigen Familien sei höher als früher, sagt Ildiko Omelcenko. Auch wegen der Corona-Jahre, vermutet sie. „Viele Angebote, die viel bringen, würden ohne Sprach-Kita-Förderung wegfallen.“

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