Kluger Mix aus Maßnahmen: Kultusministerin Anna Stolz will gegen den Lehrermangel vorgehen. © Astrid Schmidhuber
München – Eine neue Lehrerbedarfsprognose stellt das bayerische Kultusministerium vor Herausforderungen. Im nächsten Schuljahr werden 2840 Stellen an den Schulen unbesetzt bleiben, fast die Hälfte davon an Mittelschulen und Gymnasien. Das Ministerium spricht von „Deckungslücken“, die in den nächsten Jahren – falls nicht gegengesteuert wird – noch größer werden könnten. 2027 würden dann mehr als 4000 Lehrer fehlen, 2310 allein an den Mittelschulen. „Der Lehrkräftemangel ist nicht wegzudiskutieren“, sagt Kultusministerin Anna Stolz (FW). Sie kündigte gestern an, mit einem „klugen Mix aus Maßnahmen“ zu reagieren.
Hauptsorge des Ministeriums ist die Lage an den Mittelschulen. Hier könnten in den kommenden Jahren bis zu zwölf Prozent Lehrer fehlen. An zweiter Stelle bei der „Unterdeckung“ steht das Gymnasium, das vor allem durch die Umstellung von G8 auf G9 betroffen ist: Im nächsten Schuljahr wirkt sich das erstmals voll aus, wenn die ersten G9-Schüler in die 13. Jahrgangsstufe rutschen. Etwas weniger dramatisch ist die Situation an den Realschulen, wo offenbar nur regional, nicht flächendeckend, Engpässe drohen. An den Grundschulen und auch an den Berufsschulen hingegen gibt es ausreichend Lehrer.
Das von Stolz angekündigte „Maßnahmenpaket“ wird in einem 54-seitigen Papier skizziert, das unserer Zeitung vorliegt. Es wurde seit vergangenem Sommer in einem „Dialog“ mit den Verbänden erarbeitet, auch Eltern und Schüler gehörten dazu. Von wirklich harten Zwangsmaßnahmen wie etwa einer Erhöhung der Unterrichtspflichtzeit für die Lehrer oder einer Einschränkung der familienpolitischen Teilzeit will das Ministerium absehen. Je nach Schulart soll stattdessen anders reagiert werden. Dennoch ist ein Hauptproblem, dass 52 Prozent der Lehrer und hier vor allem der Lehrerinnen Teilzeit arbeiten. An den Grundschulen liegt die Teilzeitquote sogar bei etwa 60 Prozent. Ziel ist es, mehr Lehrkräfte zu überzeugen, dass sie freiwillig aufstocken. Schulleitungen sollen sie gezielt ansprechen. Es gebe hier „ein großes Potenzial“.
Zu dem „Mix“ an Methoden zur Lehrergewinnung gehören gezielte Werbekampagnen auf Social Media ebenso wie die dienstrechtlichen Maßnahmen, die 2020 unter Kultusminister Michael Piazolo verfügt wurde, und an denen festgehalten werden soll. Die gegenwärtige Lage lasse keine Rücknahme zu, sagt Stolz. Unter anderem werden Sabbat-Jahre und ein vorzeitiger Ruhestand nicht mehr genehmigt. Lehrer müssen fünf Jahre lang je eine Stunde mehr unterrichten und bekommen diese Zeit später zurück. Das per Gericht vom BLLV erwirkte Verbot des geltenden Arbeitzeitskontos will das Ministerium durch ein neues Arbeitszeitkonto umgehen.
Auch auf mehr Quereinsteiger setzt das Ministerium, möglich sei es, so mehrere hundert Lehrer zu gewinnen. Richtig harte Kürzungen will die Ministerin vermeiden. Ausnahmen gibt es: In dem Papier werden für die Mittelschulen „verbundbezogene Klassenbildung wo immer möglich, punktuelle Eingriffe in die Stundentafel und weniger Wahl- und AG-Stunden“ im Schuljahr 2025/2026 als „unumgänglich“ bezeichnet. An den Gymnasien soll es den Schulleitern freigestellt werden, ob sie auf Intensivierungsstunden verzichten und Wahlunterricht kürzen.
DIRK WALTER