Pflege wird unbezahlbar

von Redaktion

Die Pflege wird immer teurer: Tanja Patti kümmert sich um ihren Sohn Valentino. Er leidet unter frühkindlichem Autismus, hat Pflegegrad vier. © Norbert Habschied

Hebertshausen – Tanja Patti hat wenig Freizeit. Seit Jahren. Bis vor Kurzem hatte sie noch zwei Stunden pro Woche Unterstützung im Haushalt. Eine große Entlastung, sagt sie. Denn sie und ihr Mann sind beide berufstätig und pflegen daheim in Hebertshausen (Kreis Dachau) ihren 16-jährigen Sohn. Er leidet unter frühkindlichem Autismus, hat Pflegegrad vier – das ist der zweithöchste. Doch diese kleine Hilfe, die sie über einen ambulanten Pflegedienst bekommen haben, ist Anfang des Jahres teilweise weggebrochen. Die Pattis können sich die Haushaltshilfe nur noch alle zwei Wochen leisten. Denn nicht nur die Kosten für Pflegeheime sind enorm gestiegen – die ambulante Pflege ist genauso sehr betroffen.

Die Pattis bekommen einen monatlichen Entlastungsbeitrag von 131 Euro. Trotzdem mussten sie schon bisher jeden Monat 150 Euro für die zwei Stunden Haushaltshilfe pro Woche zuzahlen. Nun sind die Stundensätze um 30 Prozent gestiegen, berichtet sie. Selbst wenn die Putzhilfe nur noch jede zweite Woche kommt, müssten sie und ihr Mann immer noch 80 Euro zuzahlen. Es ist bereits die dritte Erhöhung seit 2022. Der Entlasungsbeitrag wurde Anfang Januar zwar angehoben – aber lediglich um sechs Euro. Das kann die steigenden Kosten nicht ansatzweise abfangen. „Und 2026 halbiert die Staatsregierung auch noch das Landespflegegeld.“ Patti und ihrem Mann bleibt nun nichts anderes übrig, als nur noch jede zweite Woche Haushaltshilfe in Anspruch zu nehmen. Denn sie müssen auch für die Therapien ihres Sohnes zuzahlen sowie die Spezialnahrung und Nahrungsergänzungsmittel finanzieren.

Patti versteht, warum die Preise steigen. Sie betont: Es ist richtig, dass die Pflegekassen einen höheren Lohn für die Pflegekräfte festgelegt haben. „Aber das wird an die Pflegebedürftigen weitergereicht.“ Heime seien für viele Menschen inzwischen fast unbezahlbar, sagt Patti. Sie ist in Hebertshausen Inklusionsbeauftragte und kennt deshalb viele Familien, die auf stationäre oder ambulante Pflege angewiesen sind. Sie weiß, wie hart die erneute Erhöhung nun viele trifft. „Einige ältere pflegebedürftige Menschen lassen den Pflegedienst nicht mehr so oft kommen, weil sie sich die Zuzahlungen nicht mehr leisten können. Die Betroffenen sind aber auf Hilfe beim Anziehen oder Waschen angewiesen. Wie soll das alles weitergehen?“

Tanja Patti ärgert sich darüber, dass wieder einmal pflegende Angehörige so hart getroffen werden. „Wer zu Hause pflegt, muss entsprechend honoriert werden“, findet die 46-Jährige. „Aber wir haben nun mal keine Lobby. Diese Missstände versickern und kaum jemand bekommt es mit.“ Ohnehin hätten viele Familien schon finanziell zu kämpfen, weil sie wegen der Pflege nicht in Vollzeit arbeiten können. Patti fordert von der Politik mehr Unterstützung für pflegende Angehörige. Schon jetzt werden in Deutschland laut Pflegestatistik gut 4,9 Millionen Pflegebedürftige zu Hause versorgt. Für über 3,1 Millionen von ihnen übernehmen pflegende Angehörige allein die Versorgungsverantwortung. Und diese Zahlen werden in den kommenden Jahrzehnten enorm steigen. Darauf müsse die Politik reagieren, findet Patti. „Es muss mehr Unterstützung geben.“

Auch mit ihrem Pflegedienst, mit dem sie sehr zufrieden ist, hat sie über dieses Thema gesprochen. Gabriele Margraf von der mobilen und häuslichen Kranken- und Altenpflege Dachau weiß, dass viele Familien mit den Preiserhöhungen zu kämpfen haben. Noch hätten Betroffene nur vereinzelt Leistungen reduziert, berichtet sie. „Aber wir haben auch erst einen Monat mit den neuen Tarifen abgerechnet.“ Die Preise werden von den Kassen vorgegeben, erklärt Margraf. Alle Pflegedienste rechnen die Leistungen nach den festgelegten Tarifen ab. Die höheren Kosten erklären sich vor allem durch die bessere Bezahlung der Pflegekräfte. „Aber auch viele Kosten wie zum Beispiel für das Benzin sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen.“ Auch das wird bei den neuen Preisen berücksichtigt.

Tanja Patti kennt sich gut genug mit dem System aus, um zu wissen, dass sie froh sein muss, überhaupt einen guten Pflegedienst gefunden zu haben und dort nicht auf einer Warteliste gelandet zu sein. Aber immer häufiger fragt sie sich, wie die Situation sein wird, wenn sie selbst älter und vielleicht auf Pflege angewiesen ist. Sie ist überzeugt: Bis dahin wird sich kaum noch jemand Pflege leisten können.

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