Darauf einen Celebrator: Helmut Erdmann, 56, Fastenprediger der Ayinger Brauerei.
Wo war der Ortsverband der Grünen? 200 Gäste amüsierten sich bei der anti-woken Ayinger Fastenpredigt.
Aying – Natürlich ist der Nockherberg-Mittwoch noch in den Köpfen, als auch Aying am Freitagabend in die Starkbiersaison startet. Vor seinem Auftritt als Fastenprediger schaut Helmut Erdmann am Stammtisch im Bräustüberl vorbei, ein Heimspiel. „Kann ja nur besser werden als am Mittwoch“, ruft einer. „So ein Krampf“, lästert ein anderer. Maxi Schafroth heißt also der unsichtbare Gegner, und Bräu Franz Inselkammer, der später die 180 Gäste im urigen Sixthof begrüßt, erhöht noch einmal den Erwartungsdruck. „Kritisch, intelligent und humorvoll“ werde die Ayinger Fastenpredigt.
Nicht nur auf ihren weltberühmten Celebrator sind sie stolz bei der 1878 gegründeten Privatbrauerei, auch auf Erdmann, ihren 90 Jahre jüngeren Direktor. Und Erdmann, der nur seinen Beruf „bierernst“ nimmt, nennt gleich mal sein Lieblingsfeindbild: eine Partei, die am 23. Februar 12,8 Prozent der Zweitstimmen im Landkreis gesammelt hat. Voriges Jahr, bei der Premiere nach Corona, verließ der Grünen-Ortsverband Großhelfendorf nach zehn Minuten den Saal. Diesmal schickt Erdmann voraus: „Es wird auch heuer nicht vergnügungssteuerpflichtig für euch.“ Gefolgt von einer Begrüßung amerikanischer Kunden in Kauderwelsch-Englisch. Eine Anspielung auf „our former outside minister:in“ Annalena Baerbock, „die immer so klingt, als wenn sie bei der stillen Post ganz hinten steht“.
Die Partei, die Schafroth am Nockherberg schonte, bekommt in Aying ordentlich ihr Fett weg. Erdmanns Predigt: So politisch korrekt wie nötig und so anti-woke wie möglich. „Personen wie mich gibt es für die Grünen eigentlich gar nicht“, klagt er gespielt: „Alter weißer Mann, Fleisch essender Fahrer eines Verbrennermotors, nicht aus der Kirche ausgetretener Katholik, männlich, hetero, meine Mutter ist eine Frau – und mein Vater nicht.“
In hippen Großstadtvierteln wie Haidhausen würde so ein Schmäh mäßig gut ankommen, im Ayinger Sixthof trifft Erdmann damit den Ton. Auch als er herzieht über „Glaubenskrieger des Ernährungskalifats mit manischem Schutzzwang“. Gesundheitsapostel hätten herausgefunden, dass pro Glas Bier neun Minuten an Lebenszeit verloren geht, und Erdmann kalauert: „Ich habe einmal selbst nachgerechnet und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich etwa um 1997 herum verstorben bin.“
Neben anderen grünen Themen wie Cannabis-Legalisierung und sexuelle Vielfalt nimmt „Trans-Ager“ Erdmann („56, identifiziere mich aber als 20-jähriger“) auch andere Vertreter linker Politik aufs Korn: den „Kinderbuch schreibenden Ökonomen“ Habeck – oder Saskia Esken, „das personifizierte Tiefdruckgebiet der SPD“. Merz und Söder kommen nur am Rande vor, was als stille Zustimmung zu werten ist.
Nach knapp einer Stunde verlässt Erdmann unter tosendem Beifall die Bühne. Ayinger hat einen 1-a-Gegenentwurf zur Schafroth-Rede geliefert, wobei es vereinzelt auch kritische Töne gibt. „Letztes Jahr fand ich ihn schärfer“, sagt ein Trachtler. Er lässt sich sogar die Partei entlocken, für die er gestimmt hat: Überraschenderweise eine, die in Aying 12,8 % der Stimmen geholt hat.
ULI KELLNER