Wirt Julian Reindl hat sich gegen eine Strafgebühr bei Nichterscheinen entschieden. © Yannick Thedens
Alles angerichtet: Manuela Schell wartet auf ihre Gäste. Zuletzt kamen einige aber einfach nicht – obwohl sie vorher reserviert hatten. © PRIVAT
Landshut/München – Wie schnell die Emotionen in den Sozialen Medien manchmal hochkochen, hat Manuela Schell jetzt am eigenen Leib erfahren. Die 46-Jährige betreibt das Restaurant Rauchensteiner in Landshut. Kürzlich hat die Gastronomin eine Entscheidung getroffen, die im Netz für gemischte Reaktionen sorgt. Wer bei ihr einen Tisch reserviert und dann nicht erscheint, muss künftig 70 Euro zahlen – pro Person. Bei jeder Reservierung notiert sie sich die Telefonnummer. So möchte sich Schell vor einem Trend schützen, den sie immer häufiger beobachtet: Für manche Gäste ist eine Reservierung längst nicht mehr so verbindlich wie für sie selbst.
Besonders in zwei regionalen Facebook-Gruppen wird die No-Show-Gebühr, wie man die Maßnahme in der Branche nennt, emotional diskutiert. Schell bekommt Zuspruch, aber auch Gegenwind. Ein Nutzer findet die Entscheidung „dreist“, ein anderer wittert grenzenlose Gier. „Dann gehe ich in Zukunft halt woanders hin“, kündigt ein Dritter an. Insgesamt überwiegt der Zuspruch: Viele finden ihr Handeln konsequent. Eine Frau findet, dass so etwas in der Gastronomie Standard werden sollte. Schell fiel die Entscheidung nicht leicht. Sie ist „sehr gerne“ Wirtin und möchte ihr Geld mit zufriedenen Kunden und nicht mit einer Ausfallgebühr verdienen. „Ich will auch mein Team schützen.“ Wenn jemand einen Platz im Rauchensteiner bucht, hat das direkt Einfluss auf ihre Planungen. Darauf, welche Lebensmittel sie kauft und wie viele Mitarbeiter sie einplant. Darüber hinaus lehnt sie, im Glauben ihr Restaurant wird voll, andere Anfragen ab. Und steht an manchen Tagen dann vor teils leeren Tischen. Nach Lust und Laune reservieren und dann einfach nicht kommen – findet sie „respektlos“.
Was in den Sozialen Medien zusätzlich für Irritation sorgt, ist eine angebliche Frist für die Stornierung im Rauchensteiner. Das sei nur sieben Tage im Voraus möglich, ansonsten werden 70 Euro pro Person fällig – so haben es viele verstanden. Schell stellt klar: Das gilt nur für große Gruppen, die ein spezielles Menü bestellen. Nicht für diejenigen, die à la Carte essen. Bei ihnen geht es darum, dass sie überhaupt absagen. „Das ist doch nicht zu viel verlangt.“
In anderen Bereichen wie der Hotellerie sind Stornogebühren eine Selbstverständlichkeit. Und könnten es künftig auch in Teilen der Gastronomie werden. Simone Bueb von der Verbraucherzentrale für Bayern kann sich das vorstellen. Auch sie spricht von einem Trend, Reservierungen nicht mehr als verbindlich anzusehen. Ein Trugschluss, gerade wenn man ein fixes Menü bucht: „Wenn der Gast nicht fristgemäß abgesagt hat, verstößt er gegen seine vorvertraglichen Pflichten“, sagt die Expertin für Verbraucherrecht. Eine Vorgabe, wie hoch man die Gebühren ansetzen darf, gibt es nicht. Wichtig sei, dass eine No-Show-Gebühr vorab klar kommuniziert wird.
Eine No-Show-Gebühr war auch schon bei Julian Reindl Thema. Er leitet den Haxengrill im Scholastikahaus in München, hat Ähnliches wie Schell erlebt. Trotzdem hat er sich vorerst dagegen entschieden. Was daran liegt, dass sich vor dem Wirtshaus nahe dem Marienplatz ohnehin regelmäßig Warteschlangen bilden. Bleiben Tische leer, gibt er sie nach 15 Minuten weiter. „Viele Kollegen haben diesen Luxus nicht.“ Deshalb versteht er, wenn manche Wirte zu solchen Mitteln greifen. Doch auch im Haxengrill registriert man sehr genau, wer trotz Reservierung einfach nicht kommt. Reindl und sein Team vermerken das in ihrem Reservierungssystem. Fällt ein Gast als besonders unzuverlässig auf, könnte er es bei der nächsten Anfrage schwer haben. „Bisher mussten wir noch nicht durchgreifen“, sagt Reindl. Er behält es sich aber vor.
TOBIAS SCHWANINGER