Die 12 Artikel in der Vitrine. Das Original ist nicht größer als ein DIN-A5-Heft. © dw (3)
Im Angebot: ein Spezialdrink zum Jubiläum.
Metallaufsteller erinnern an historische Personen.
Archivar Christoph Engelhard vom Stadtarchiv Memmingen mit den 12 Artikeln. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Memmingen – Das Herzstück der Ausstellung ist in einer Vitrine ausgestellt, viele gehen achtlos daran vorbei, weil das Ausstellungsobjekt so klein ist: ein Papier, kaum so groß wie ein DIN-A5-Blatt: die 12 Artikel. Das ist die Programmschrift rebellischer Bauern vor 500 Jahren. In der Kramerzunftstube in Memmingen entstand damals, Anfang März 1525, der Forderungskatalog der unter zahllosen Frondiensten und Abgaben niedergepressten Landbevölkerung – darunter auch jener legendäre und oft zitierte dritte Artikel, der die Abschaffung der Leibeigenschaft forderte: „… das wir frey seyen vnd wo(e)llen sein“. 15 Druckorte, mindestens 24 Auflagen, 25 000 Exemplare – das war für die damalige Zeit gewaltig.
Ein wilder Mix an Darstellungsformen
Das wird nun zu Recht gefeiert. Ganz Memmingen ist im Bauernkriegs-Fieber, am Wochenende waren Bundespräsident und Ministerpräsident da. Der Bauernkrieg hätte sogar (so wie es die Baden-Württemberger in Stuttgart handhaben) eine richtige Landesausstellung verdient – doch das Haus der bayerischen Geschichte verließ sich lieber auf Altbewährtes (König Ludwig I., ab Mai im Regensburger Geschichtsmuseum) und dampfte den spannenden und immer noch aktuellen Freiheitskrieg der Landbevölkerung zu einer (kleineren) Bayernausstellung ein.
Nun denn: Wer sich in die 12 Artikel wissenschaftlich vertiefen will, der greift im Foyer der Ausstellung im Memminger Dietrich-Bonhoeffer-Haus am Büchertisch zu Heide Ruszat-Ewigs gut 100-seitiger Broschüre „Die 12 Bauernartikel. Flugschrift aus dem Frühjahr 1525“ – für fünf Euro, ein Schnäppchen, ist man dann vortrefflich informiert. Was man für den Rest der Ausstellung nicht immer behaupten kann. Man will um Himmels willen Geschichtsinteressierten den Besuch in Memmingen nicht ausreden, aber der wilde Mix an Darstellungsformen, der sie erwartet, ist gewöhnungsbedürftig. Alte Stiche von Dürer neben Graphic Novel, dazu Videoinstallationen, die zumindest bei den 12 Artikeln nicht ganz geglückt sind – ein stringentes Konzept ist nicht erkennbar. Man muss schon suchen, um fündig zu werden, etwa bei der als Reproduktion gezeigten Weißenauer Chronik von 1525, die die drakonische Bestrafung der Aufrührer zeigte: Aufhängen, Erschießen, Aufspießen.
Aber man will auch nicht den Stab brechen: Memmingen gibt sich alle Mühe, dem Motto „Stadt der Freiheitsrechte“ gerecht zu werden. Nach der Ausstellung wartet die Kramerzunftstube auf die Besichtigung (leider auch mit einer wilden Lichtinstallation), danach kann man durch die Gassen zum Wohnhaus von Lotzer gehen, es ist ja alles dicht beieinander. Und wer mag, stärkt sich am Schluss mit einem „1525 Special Drink“, den eine lokale Gastwirtschaft kreiert hat.
DIRK WALTER