DAS PORTRÄT

Die unterschätzte Malermeisterin

von Redaktion

Lissi Egger aus Bad Tölz. © Arndt Pröhl

Lissi Egger aus Bad Tölz ist staatlich geprüfte Farb- und Lacktechnikerin, Betriebswirtin und Restauratorin samt Staatspreisen. Im Jahr 2021 legte die 26-Jährige die Meisterprüfung als Malerin und Lackiererin ab – als Beste in Bayern. In ihrem Handwerksberuf sind Frauen immer noch die Ausnahme. Gerade auf Baustellen sei Egger anfangs dumm angesprochen worden – doch der holprige Start machte sie schlagfertig und selbstbewusst.

Lissi Egger wuchs im Tölzer Malerei- und Farbenfachgeschäft Egger auf, das 1908 gegründet wurde. In Kürze wird auch ihr jüngerer Bruder Moritz (23) in die Geschäftsführung einsteigen. Als sich die junge Frau nach dem Realschul-Abschluss entschied, diese Ausbildung zu beginnen, wurde sie mit vielen Vorurteilen konfrontiert. „Bis heute haben Maler leider keinen guten Ruf.“ Dabei habe sich dieser Beruf stark gewandelt, unter anderem seien die Umwelt- und Gesundheitsstandards hoch. „Es ist toll, was man im Handwerk alles für Möglichkeiten hat.“ Was sie an ihrem Beruf so mag? „Er ist so wahnsinnig vielseitig, kreativ und bunt.“ Außerdem komme sie viel rum, lerne immer wieder neue Menschen kennen und könne auch künstlerisch arbeiten.

Auf der Berufsschule in Rosenheim war Lissi Egger in ihrer Klasse eines der wenigen Mädchen. „Am Anfang fand ich das komisch, aber dann waren wir sehr schnell eine Gemeinschaft“, erinnert sie sich. „Die Atmosphäre war sehr nett und locker.“ Auf den Baustellen sei sie anfangs kritisch beäugt worden. „Da kriegt man schon mal blöde Sprüche zu hören“, sagt sie. Die Tölzerin wirbt dafür, wie sehr man sich im Handwerk weiterbilden kann. Mit ihren Abschlüssen könnte sie auch in die chemische Industrie wechseln. Auf der Meisterschule bildete sie sich in Betriebs- und Arbeitspsychologie fort und lernte unter anderem Technisches Englisch. „Mit dem Abschluss hat man dann automatisch das Fachabitur.“ Für ihre Prüfung zur staatlich geprüften Restauratorin beschäftigte sich Egger mit einem Truhenwagen der Tölzer Leonhardifahrt.

Wenn sie heute Einstellungsgespräche führt, spielen Schulnoten nicht die ausschlaggebende Rolle. „Man sollte handwerkliches Geschick, Kreativität und Interesse mitbringen“, sagt die 26-Jährige. Hilfreich sei auch eine Vorliebe für Mathematik und die Fähigkeit, räumlich denken zu können. Auf Messen und in Schulen wirbt Egger für ihr Handwerk, vor allem bei Mädchen. „Die Gespräche sind immer sehr nett, aber Bewerbungen gibt es dann leider doch nicht so viele.“ Dabei sei der Verdienst mit 800 bis 1100 Euro netto in der Lehrzeit gar nicht so schlecht und eine Übernahme praktisch garantiert. Dass sie seit ihrem 16. Lebensjahr auf eigenen Beinen steht, macht sie stolz. „Meinen Beruf mache ich aus voller Überzeugung“, sagt sie. „Und ich hoffe, es werden künftig noch ein paar Frauen mehr.“
CHRISTIANE MÜHLBAUER

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