Hitlers Starfotograf

von Redaktion

Eine Studie entlarvt den Münchner Heinrich Hoffmann als frühen Antisemiten

Tendenziös: eine Bildbroschüre zur Revolution 1918/19. © dw

Gegenrevolutionäre: Hoffmann fotografierte das Freikorps Werdenfels. © HLB

Pure Propaganda: Hitler beim Rehefüttern am Obersalzberg 1936. © akg-images/pa

Hitlers Liebling: Der NS-Diktator ernennt den Münchner Fotojournalisten Heinrich Hoffmann im Jahr 1938 zum Professor. © Bayerische Staatsbibliothek

München – Er galt als Hitlers Haus- und Hoffotograf, seine Bilder werden bis heute oft zur Illustration der Revolution und der NS-Diktatur verwendet – meist völlig unkritisch. Weniger bekannt ist, dass der Münchner Fotojournalist Heinrich Hoffmann (1885-1957) schon früh, seit 1920, überzeugter Nationalsozialist und Antisemit war, dass er durch seine Fotos Millionen verdiente und während des Zweiten Weltkriegs am Raub wertvoller Gemälde aus jüdischem Besitz beteiligt war. Eine neue Studie des Münchner Historikers Sebastian Peters zerlegt gekonnt den Mythos des angeblich unpolitischen Fotografen, der nur dokumentierte, „was ist“.

Hoffmann verdankte seinen Aufstieg einem Ereignis, das er selbst strikt ablehnte: der Revolution in München 1918/19. Als einer von ganz wenigen dokumentierte er die revolutionäre Umwälzung auf der Straße, porträtierte führende Räterepublikaner – nur Kurt Eisner verweigerte sich einer Porträtsitzung, als hätte er geahnt, wie Hoffmanns wahre Einstellung war. Ohne Hoffmanns Bilder hätten wir heute kaum ein Bild von dem Umsturz und der darauffolgenden blutigen Niederkämpfung der Revolutionäre. Es ist ein gefärbtes Bild, wie der Historiker deutlich macht. Es gibt kaum Bilder über den Jubel auf der Straße über das Gelingen der Revolution, stattdessen verzerrte Porträtaufnahmen und die Dokumentation von Schäden, die bei der Niederschlagung entstanden waren.

Geschickt konnte Hoffmann das vermarkten: Eine wie eine Illustrierte aufgemachte Bildbroschüre „Ein Jahr Bayrische Revolution“ mit einer Auflage von 10 000 Stück brachte Hoffmann, der damals sein Fotostudio in der Schellingstraße hatte, einen ersten großen wirtschaftlichen Erfolg. Den Text steuerte ein Journalist der „Münchener Zeitung“ bei. Historiker Peters interpretiert die Broschüre zu Recht als „ein Schlüsseldokument, um Hoffmanns Weg in die extreme Rechte zu begreifen“ – im Text wimmelte es von judenfeindlichen Bemerkungen (etwa über das „verrottete, verjudete Schwabing“). Interessant ist auch, dass die Illustrierte anzeigenfrei war – nur auf der Rückseite durfte der völkische Publizist und Hitler-Freund Dietrich Eckart für seine Zeitschrift werben.

Schon am 6. April 1920 trat Hoffmann als Mitglied Nr. 925 der NSDAP bei. Peters korrigiert frühere Annahmen, Hoffmann sei erst durch Hitler sozusagen zum Nationalsozialismus bekehrt worden, denn zu diesem Zeitpunkt war er mit dem späteren Diktator noch nicht persönlich bekannt. Erst seit 1923, erstaunlich spät angesichts seines früheren Engagements, fotografierte er Aufmärsche der NSDAP und aus dieser Zeit resultiert auch sein erstes Hitler-Bild.

Die gut zu lesende und trotz ihrer Länge an keiner Stelle langweilige Doktorarbeit folgt dem Wirken Hoffmanns an der Seite Hitlers. Wie sonst nur Walter Frentz war er bis zum Ende der Nazi-Diktatur der Propaganda-Starfotograf. Er gehörte aber auch zum inneren Kreis des „Führers“, war Teil der Entourage, die am Obersalzberg Hitler anhimmelte.

Weniger bekannt ist Hoffmann als Kunsträuber. Seine Sammlung umfasste rund 300 Gemälde, niederländische und spanische Malerei aus dem 16. und 17. Jahrhundert, auch deutsche Romantiker des 19. Jahrhunderts wie Spitzweg oder Lenbach, deren Vorbesitzer zum Teil nicht zu rekonstruieren sind. Peters, dessen Arbeit vom Münchner Professor für Kunstgeschichte Christian Fuhrmeister unterstützt wurde, weist nach, dass Hoffmann auch von der Enteignung jüdischer Kunstsammler unter anderem in Wien, Prag und Paris profitierte. Interessant ist, warum Hoffmann Kunst sammelte. Nicht aus reiner Liebhaberei jedenfalls. Kunst war für NS-Größen Statussymbol und Mittel zum Zweck. Hoffmann verkaufte viele Gemälde an andere Hitler-Getreue, hatte also auch ein finanzielles Interesse. Auch für den „Sonderauftrag Linz“, Hitlers geplantes gigantisches Kunstmuseum in seiner österreichischen Lieblingsstadt, vermittelte Hoffmann Kunstwerke. Er verschenkte auch Bilder an Hitler und stieg dadurch in dessen Gunst. Der Diktator griff auf Hoffmanns Angebote zurück, „wenn er Kunstgeschenke für seine Minister oder Angehörige des Hofstaats auswählte“. Auch hier sind viele Gemälde bis heute verschwunden.

Die Studie entlarvt viele Mythen um Hitlers Lieblingsfotografen. So ist es bezeichnend und fast eine Auszeichnung, dass Hoffmanns Erben dem Historiker für seine Publikation die Verwendung genehmigungspflichtiger Fotos untersagten.
DIRK WALTER

Das Buch

Sebastian Peters: „Hitlers Fotograf Heinrich Hoffmann. Eine Biographie“, Wallstein Verlag, 624 Seiten, 34 Euro.

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