Ist sich keiner Schuld bewusst: Der Angeklagte Roman M. vor dem Gerichtssaal.
Von Hassbotschaften in den Tod getrieben? Ärztin Lisa-Maria Kellermayr nahm sich im Juli 2022 das Leben.
Wels – Kurz bevor sich Impf-Ärztin Dr. Lisa-Maria Kellermayr am 29. Juli 2022 in ihrer Praxis am Attersee mit 36 Jahren das Leben nahm, schrieb sie noch eine Mail an die Polizei: „Kein Stress! Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie mich noch lebend auffinden werden, ist gleich null.“ Danach beschrieb sie die monatelangen Morddrohungen aus der Corona-Leugner-Szene und nannte einen Namen: Roman M. aus Starnberg. Seit gestern muss sich der 61-jährige Unternehmer nun wegen gefährlicher Drohung vorm Landesgericht Wels verantworten.
Am 21. Februar 2022 schrieb M., der sich als Ungeimpfter durch die 2-G-Regel vom öffentlichen Leben ausgeschlossen fühlte, per Mail an Kellermayr: „Wir beobachten Sie, und wir werden solche Kreaturen vor die in Zukunft einzurichtenden Volkstribunale bringen!“ Die Ärztin erstattete Anzeige. Aufgrund seiner angegebenen Firmen-Adresse war er leicht zu ermitteln. „Er hat ihren Selbstmord mitverschuldet, indem er ihr wegen angeblicher Verfehlungen im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit die Verfolgung durch ein Volkstribunal oder eine Gefängnisstrafe in Aussicht stellte“, sagte der Staatsanwalt zum Prozessauftakt.
Doch der Angeklagte antwortete um 10.12 Uhr auf die Frage der Richterin, ob er sich schuldig bekenne, nur: „Nein!“ Er sei nicht „dieser Schuldige“, wegen dem sich Lisa-Maria Kellermayr das Leben genommen habe. Es habe sich nur um ein „Streitgespräch“ gehandelt, er werde nun zum Sündenbock gemacht. Tatsächlich wurde ein besonders hartnäckiger Hassnachrichten-Schreiber, der ihr unter dem Darknet-Namen „claasderkiller“ mit einer Lobotomie (Schnitt durch die Gehirnlappen) gedroht hatte, bis heute nicht identifiziert.
„Wären die Morddrohungen und sonstigen gefährlichen Drohungen ernst genommen worden, wäre dies alles nicht passiert“, klagte die Ärztin die Polizei in ihrem Abschiedsbrief an. Startschuss für die Hasskampagne war ein Tweet von Kellermayr, in dem sie „Covidioten“ bezichtigte, die Notaufnahme des Klinikums Wels blockiert zu haben. Das nannte die Landespolizeidirektion Wels eine „Falschmeldung“. Danach musste Kellermayr in ihrer Ordination in Seewalchen sogar einen eigenen Sicherheitsdienst engagieren, baute für 100 000 Euro einen Panikraum und eine Überwachungsanlage ein. Viermal sollen in den wenigen Monaten bis zu ihrem Tod Patienten mit einem Messer bei ihr aufgetaucht sein.
Doch die Ärztin konnte auch austeilen, wie die Verteidiger von Roman M. am Mittwoch darlegten. „Demonstrativ geistig armselig“ nannte sie M. in einer Mail-Antwort. Sie bezeichnete ihn auch als „geistig abnormen Rechtsbrecher“ und schrieb: „An Ihnen ist das Bildungssystem offensichtlich gescheitert.“ In den Augen der Anwälte litt die Medizinerin unter einer „schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung“ und habe bereits vier bis fünf Selbstmordversuche hinter sich. Sie habe keine Beziehung und keinen Freundeskreis gehabt. Weil sie so einsam gewesen sei, habe sie auch so intensiv in den Sozialen Medien kommuniziert. Auch die lokale Polizei warf ihr 2022 vor, sie dränge sich in die Medien, und riet ihr, sich mit Äußerungen zurückzuhalten.
Emotional bewegend schilderte dagegen Lisa-Maria Kellermayrs Vater Franz (68) die Hilferufe seiner Tochter: „Es war nicht so, dass sie ihr Leben beenden wollte. Sie wollte gerettet werden. Um es ihren Kritikern zu beweisen, lief sie den Halbmarathon in Berlin. Doch man muss sehen, wie groß der Druck war, sechs Monate mit der Angst zu leben, ermordet zu werden.“
Das Urteil in dem aufsehenerregenden Prozess soll am 9. April fallen. Roman M. drohen bis zu zehn Jahre Haft.