München – Der Streit ums Jagdgesetz entflammte kurz vor Weihnachten, der Bund Naturschutz war entsetzt. „Das Papier“, so der Landesbeauftragte Martin Geilhufe, „ist ein absoluter Tiefpunkt des von Tiefpunkten nicht gerade armen Wirkens“ von Jagdminister Hubert Aiwanger. Das Papier – damit meinte Geilhufe Aiwangers Vorschläge für ein neues Jagdgesetz. Kernpunkte: mehr Jagd auf mehr Tiere, auch auf europarechtlich geschützte Arten; einfacherer Abschuss des Wolfes; weniger Abschuss von Wild. Jedes Thema ein rotes Tuch für Tierschützer – aber auch der Koalitionspartner ist höchst unzufrieden.
Gestern musste sich Aiwanger deshalb einer sehr langen, kontroversen Debatte in der CSU-Fraktion stellen. Und auch der Freie Wähler-Chef holte weit aus in seinem Vortrag, berichten Zuhörer, begann mit der Abschaffung des aristokratischen Jagdprivilegs in der Französischen Revolution. Wobei eine kleine bayerische Revolution näher liegt: Vor den versammelten Abgeordneten zerpflückte nämlich Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) den Entwurf. „Wir brauchen kein Jagdgesetz nur für Jäger“, wird sie zitiert, es gehe auch um Waldbesitzer und die Gesellschaft. Sie habe „große Sorgen“ bei Aiwangers Entwurf und sehe null Unterstützung. „Ich habe mit allen Verbänden gesprochen, Waldbesitzer bis Naturschutz – kein Einziger trägt deinen Vorschlag mit.“ Aiwanger und Kaniber stehen sich, vorsichtig ausgedrückt, kritisch gegenüber. Im Vorfeld hatte die Ministerin angemahnt, dass Aiwanger den Grundsatz „Wald vor Wild“ umsetzen müsse. Die Formel ist einfach: Je mehr Wild im Wald unterwegs ist, desto schlechter können junge Bäume wachsen – Rehe lieben die Triebe. Doch der Verbiss verhindert den Waldumbau, der angesichts zunehmender Trockenzeit nötig ist. Aiwanger, selbst Jäger, jedoch will die staatlich vorgeschriebenen Abschusszahlen für Rehe lockern, wenn der Verbissschaden bei jungen Bäumen tragbar sei. Das wäre Naturschützern zufolge fatal. „Der Waldumbau sei eine Überlebensfrage für unsere Wälder“, sagt BN-Ehrenvorsitzender Hubert Weiger.
Aiwanger verteidigte gestern seine Pläne. Er sagte intern immerhin zu, nochmal mit den Verbänden das Gespräch zu suchen. Vorgabe des Koalitionspartners ist, dass das neue Jagdrecht nicht zusätzliches Personal binden darf. Aus der CSU wird zudem betont, das sei nun das zweite Aiwanger-Gesetz binnen weniger Tage, das sogar innerhalb der eigenen Koalition zerpflückt werde. Vergangene Woche stoppte der Landtag sein Bürgerbeteiligungsgesetz zu Wind- und Solarparks.
C. DEUTSCHLÄNDER/C. ZIMNIOK