Diese Nudeln sitzen lächelnd im Kochtopf.
Schlaumeier und Häschen: Spiegeleier mit Charakter.
Umringt von lustigen Lebensmitteln aus Plüsch: Manu Heintze verkauft in München Jellycat-Figuren. © Marcus Schlaf (4)
München – Bei Manuela Heintze landen Plüschfiguren schon mal im Kochtopf. Die 49-Jährige steht in ihrem Laden Nica‘s Cosmos in München und drapiert flauschige Nudeln mit lachenden Gesichtern rund um einen Holzlöffel. „Topf und Löffel hab‘ ich von daheim mitgebracht“, erzählt sie. „Mittlerweile weiß ich, dass die Leute es lieben, wenn die Figuren passend inszeniert sind.“ Die glücklichen Ravioli und Farfalle haben jetzt die perfekte Position. Einen Schritt weiter platziert Heintze Muffins, Baguettes und Croissants in einem Korb und lässt die Beinchen der Macarons von einer Etagere baumeln. Szenen wie aus einer französischen Bäckerei.
Es ist eine verrückte Welt, in der Lebensmittel zu bunten Plüschfiguren werden – und Erwachsene die für einen stattlichen Preis in Nobelkaufhäusern in ganz Europa kaufen. Die gehypte Marke heißt Jellycat und wurde 1999 in London gegründet. In den letzten Jahren sind die flauschigen Figuren aber nicht mehr nur in Kinderzimmern zu finden, inzwischen sind sogar Prominente bekennende Fans: It-Girl Kylie Jenner trägt die lachende Erbsenschote an der Designer-Handtasche. US-Schauspielerin Eva Mendes kuschelt mit Jellycat im Flieger. Und der britische Schauspieler Bill Nighy posiert mit Flausch-Fuchs auf einer Filmpremiere – im zarten Alter von 75 Jahren.
In den bekannten Pariser Galerien Lafayette gab es einen Jellycat-Pop-up-Store, in dem Kunden wie in einer Bäckerei bedient wurden. Der glückliche Avocado-Toast oder das grinsende Erdbeertörtchen wurde auf Bestellung in eine buntgestreifte Tüte verpackt und mit den Worten „Bon appétit“ überreicht. In Zürich wird Jellycat aus der „Tiefkühltruhe“ verkauft. Im Londoner Nobelkaufhaus Selfridges imitiert der Spielwarenhersteller den Verkauf von Fish&Chips an Strandpromenaden. Online kann man im Voraus Termine buchen. Mitarbeiter holen hier den frittierten Fisch per Zange aus der „Fritteuse“. Auch Essigflasche, Salz- und Pfefferstreuer stehen parat – und sie alle haben Charakter.
Zu so irren Einkaufserlebnissen lädt Jellycat in Deutschland noch nicht. Der Hype aber hält auch Bayern schon länger in Atem. Das Münchner Kaufhaus Ludwig Beck bietet Jellycat-Produkte seit 2017 an. „Die Nachfrage nimmt stetig zu“, sagt eine Kaufhaus-Sprecherin. Die Kunden seien vorwiegend Erwachsene. Immerhin ist das Marketing gewieft: Immer wieder kommen neue Figuren auf den Markt, oft in limitieren Auflagen. Zunder für Sammelwütige. Online werden „selten gewordene“ Figuren für hunderte Euro versteigert.
Wieso kaufen Erwachsene lächelnde Broccolis, Kaffeebecher und Kakteen? Für Manu Heinzte, laut eigener Aussage einer der fünf größten Jellycat-Händler Deutschlands, ist die Antwort klar: „Die Figuren machen glücklich. Man kann sie nicht anschauen, ohne selbst schmunzeln zu müssen.“ Viele Kunden hätten ihr von dem Effekt berichtet. „Ein jung gebliebenes Paar Ü70 kauft hier immer wieder das neueste Jellycat-Gemüse. Daheim werden die Figuren in einen Korb neben der Espresso-Maschine drapiert.“ Aktuell hätte Heintze etwa drei verbrüderte Tomaten, flaumige Erdnüsschen und fröhlichen Ingwer für je 24,90 Euro im Angebot. Futter für das innere Kind. Bald kommt auch die Käse-Kollektion raus.
Heute kauft auch Lina Lahier in Heintzes Laden ein. Die Sonnenblume im Topf soll es werden. Preis: 49,90 Euro. „Ich habe schon zwei Jellycat-Pflanzen daheim. Tolle Deko, die so gute Laune wie echte Blumen macht“, sagt die 18-Jährige, während ihr Freund bezahlt. Ja, dieser textile Liebesbeweis wird nie welk. Andere Kunden von Heintze tragen sogar Handtaschen in Lebensmittelform. Die Avocado, die ihr Kern-Bäuchlein rausstreckt, und die Tüte Popcorn sind Bestseller.
Seit Kurzem hat Heintze endlich auch die Osterware. Schon vor Weihnachten hatte sie die bestellt, inklusive vieler Figuren, die Kunden in das Wünschebuch eingetragen hatten. „Alle Dinge, die uns Freude bereiten, sind doch der unbeschwerte Ausgleich zu den aktuell recht ernsten Zeiten voller schlechter Nachrichten, Krisen und Kriege“, sagt sie und richtet die frechen Spiegeleier auf der Filz-Pfanne zurecht. Ist das Ei mit Hasenohren Zeichen für die Flucht aus der Tristesse des Alltags? Oder gar Pflaster für Zukunftsängste? Es wirkt fast so.
CORNELIA SCHRAMM