In Sichtweite hatten sich Tieraktivisten von „Animal Rebellion“ aufgebaut.
„Lieber Günther, wir brauchen dich!“ – Bauernpräsident Felßner freut sich über die Solidarität.
Trotz Regens sind gut 800 Bäuerinnen und Bauern nach München auf den Königsplatz gekommen, um für Demokratie und gegen Gewalt zu demonstrieren. © Michaela Stache (3)
München – Es liegen keine 200 Meter zwischen den gut 800 Bäuerinnen und Bauern, die am Samstag auf dem Königsplatz in München zur Demo für Demokratie und gegen Gewalt gekommen sind, und den 40 Aktivisten von „Animal Rebellion“. Und doch sind es Welten. Während die Landwirte – unterstützt vom Handwerk, der Gewerkschaft der Polizei, dem Bündnis für Toleranz, dem Heimatpakt, dem Verband der bayerischen Wirtschaft, der Kirche, den Wirten und Metzgern – ein Bekenntnis für faire politische Auseinandersetzung ablegen, brüllen die Aktivisten über Megaphone ihre Parolen über den Platz.
Doch das Bündnis, das sich um Bauernpräsident Günther Felßner geschart hatte, lässt sich nicht provozieren. Die Empörung über die Bedrohung aber, die Felßners Familie durch die Aktivisten am vergangenen Montag erfahren musste, ist weiter groß. Martin Hohenester (33), Milchbauer aus Landshut, ist erschüttert, dass Aktivisten „einen Mann, der fachlich so geeignet ist für das Amt des Agrarministers, so bedrohen, dass er den Rückzug antritt. Das kann es doch nicht sein in Deutschland“. Auch für Oberbayerns Bauernpräsident Ralf Huber ist es „ein Wahnsinn“, dass Aktivisten auf Felßners Hof eingedrungen sind. „Man darf ihn kritisieren und mit den Bauern diskutieren. Dafür sind wir da. Aber mit der Aktion ist ein Ende erreicht. So etwas gehört streng bestraft.“
Aus vielen Regionen sind Bäuerinnen und Bauern mit Transparenten angereist, um ein Zeichen für Demokratie zu setzen. Felßner selber tut es sichtlich gut, dass „seine Bauern“ ihm ihre Solidarität zeigen. „Mir ist es wichtig, dass die Leute verstehen, warum ich diesen Schritt machen musste. Es geht um den Schutz meiner Familie“, sagt er. Zu erfahren, dass ihm die Menschen das nicht übel nehmen, obwohl er Hoffnungen enttäuscht hat, „das freut mich unglaublich“. Felßner bietet Andersdenkenden das Gespräch an: „Der Dialog ist der Weg, Gewalt ist die Sackgasse.“ Nach dem Überfall auf seine Familie erwarte er aber, dass der Rechtsstaat mit allen Mittel „gegen diese Antidemokraten vorgeht“.
Dass die Bauern von so vielen Verbänden Unterstützung erhalten, schätzen sie. Für Jürgen Köhnlein von der Polizeigewerkschaft ist die Aktion von „Animal rebellion“ ein Alarmsignal. „Hier wurde nicht mit Argumenten gestritten, sondern mit Bedrohungen und bengalischem Feuer. Das dürfen wir nicht zulassen.“ Wer andere zum Schweigen bringen wolle, greife nicht nur einzelne Personen an, sondern die freiheitliche Grundordnung. Jeden Tag würden Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte beleidigt und sogar angegriffen, nur weil sie ihren Dienst tun. „Das ist eine Schande.“
Andrea Taubenböck, Geschäftsführerin der Stiftung Wertebündnis Bayern, beobachtet mit Sorge, wie im Zusammenleben rote Linien überschritten würden. Streit und Auseinandersetzung seien das Lebenselixier der Demokratie. „Was aber gar nicht geht, ist persönliche Einschüchterung oder sogar Bedrohung.“ Hier sei auch die Zivilgesellschaft gefragt, man dürfe die Verrohung der politischen Auseinandersetzung nicht hinnehmen. Es gehe um die Frage, ob sich künftig noch Menschen um politische Mandate bewerben. Parteiübergreifend müssten alle aufstehen gegen feindselige Übergriffe im politischen Wettbewerb. „Lassen wir nicht zu, dass Radikale das zerstören, was Demokratien ausmachen: die friedliche, angstfreie politische Willensbildung.“
Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) steht unten vor der Tribüne, um ihre Solidarität mit Felßner zu zeigen. „Die letzte Woche war alles andere als einfach. Es war ein schwarzer Tag für die Demokratie, als der Angriff auf die Familie von Günther Felßner passierte“, sagt sie unserer Zeitung. Übergriffe von links wie von ganz rechts schadeten der Demokratie. „Und darum ist es mir wichtig, auch heute an der Seite der Bauern zu stehen. Und vor allem an der Seite von Günther Felßner. Er wäre der richtige Mann gewesen.“ Auf die Frage, wer nun Bundesagrarminister werden soll – auch Kanibers Name wird genannt – äußert sie sich nicht. Die derzeitige Situation stecke allen in den Knochen. „Wir haben uns darauf verständigt, dass wir einen ordentlichen Koalitionsvertrag schreiben, und dann wird der Parteivorsitzende entscheiden.“
CLAUDIA MÖLLERS