Ein Windrad auf einer Wiese in Bayern. © epd
Die An- und Abflugrouten zum Flugplatz Oberpfaffenhofen bremsen viele geplante Windräder aus. © picture Alliance
Starnberg – Robert Sing ist Ingenieur. Er weiß, dass manche Projekte einen langen Atem brauchen. Aber für den Landkreis Starnberg hat sein Atem nicht gereicht. Drei Jahre hat er dort für die Planung neuer Windräder investiert. Vor Kur-zem hat er aufgegeben. Wegen Aussichtslosigkeit. Nicht Bürgerproteste sind das Problem – sondern der Sonderflughafen in Oberpfaffenhofen. Ende vergangenen Jahres sind acht geplante Windkraftanlagen in Gauting an einer negativen Stellungnahme der Deutschen Flugsicherung gescheitert. Auch die Stadt Starnberg sowie die Gemeinden Seefeld, Andechs, Wörthsee, Inning und Krailling mussten ihre Windrad-Pläne zumindest teilweise deswegen beerdigen. Einige von ihnen liegen nahe der Autobahn 96. Und die ist Sichtflugkorridor der zivilen Luftfahrt für den Sonderflughafen. Links und rechts der Autobahn muss laut Deutscher Flugsicherung ein Abstand von einem Kilometer eingehalten werden. Im Fall von Gauting hatte das Luftamt Südbayern der Gemeinde geringfügige Verschiebungen der Anlagen-Standorte oder eine Veränderung der Höhe vorgeschlagen. Beides ist keine Option, betont Ingenieur Sing. Denn eine Verschiebung ist nicht innerhalb der speziell für Windkraft ausgewiesenen Konzentrationsflächen möglich. „Und nur 150 Meter hohe Windräder lassen sich nicht wirtschaftlich betreiben.“ Deshalb hat er die Pläne komplett begraben. Obwohl das für ihn nach drei Jahren Planung einen erheblichen wirtschaftlichen Verlust bedeutet.
Sing weiß, dass Gauting und die anderen Gemeinden im Kreis Starnberg kein Einzelfall sind. „Es gibt diese Probleme häufig, wenn Windkraftanlagen in der Nähe von Flughäfen geplant werden.“ Rund um den Militärflughafen Lagerlechfeld zum Beispiel. Der blockierte die Windkraftpläne im Kreis Landsberg. Auch im Münchner Norden verhindert die Flugsicherung seit Jahren Windräder. Die Gemeinde Oberschleißheim im Kreis München würde gerne am Hollerner See Windräder bauen. Der Standort ist aber wegen der Nähe zum Oberschleißheimer Flughafen und der Hubschrauberstaffel der Bundespolizei problematisch. Unterschleißheim, Garching und Ismaning haben dasselbe Problem. 2023 waren die Kommunen im nördlichen Landkreis München mit einer Resolution zur Modernisierung der Flugsicherung gescheitert. Die Bürgermeister halten den Bereich an Flugplätzen, der aus Sicherheitsgründen für den Bau von Windkraftanlagen tabu ist, für zu groß.
Die Deutsche Flugsicherung prüft Windkraft-Vorhaben erst im Detail, wenn Bauanträge vorliegen, erst dann sei eine Bewertung wirklich verlässlich, heißt es. Sobald ein Windrad im Flugverkehrsbereich entstehen soll, reden viele Akteure mit. Geht es um Hindernisschutz, also Bauwerke, kommt die Landesluftfahrtbehörde ins Spiel. Geht es um mögliche Störungen von Flugsicherungsanlagen, ist das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung zuständig. Im Fall des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen geht es ausschließlich um ersteres – also um An- und Abflugrouten und das Sichtflugverfahren. Eine mögliche Lösung wäre die Änderung der vorgeschriebenen Flugrouten. Ein Pilot aus der betroffenen Region, der selbst schon in Oberpfaffenhofen gelandet ist, sagt gegenüber unserer Zeitung, es sei nicht einfach, aber mit gutem Willen würden sich die Flugrouten ändern lassen.
Dafür hat der Starnberger Landrat Stefan Frey (CSU) gekämpft. Vergebens. Es hatte Gespräche mit dem Flughafen-Betreiber gegeben. Letztlich scheitere es aber an geltendem Recht, sagt Frey. Er hat deswegen vor Kurzem einen Brandbrief an Ministerpräsident Markus Söder geschrieben – zurück kam nur ein standardisiertes Schreiben aus der Staatskanzlei. Aus Sicht des Ingenieurs Sing fehlt beim Thema Windkraft in Bayern politischer Druck. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, sagt er. Es bräuchte aber eine „klare Order“ aus der Politik. Einen Versuch gab es bereits vor knapp einem Jahr. Damals hatte Bayern mit einer Initiative im Bundesrat versucht, den grundsätzlichen Vorrang der Luftfahrt gegenüber der Windkraft durch eine Änderung des Luftverkehrsgesetzes zu beseitigen. Doch für diesen Vorstoß fand sich keine Mehrheit, der Gesetzentwurf landete nie im Bundestag.
Der Starnberger Landrat hat aktuell kaum noch Hoffnung, dass die geplanten Anlagen zeitnah realisiert werden könnten. Sie müssten 250 Meter hoch sein, damit sie rentabel wären, erklärt er. Ohne eine Änderung der Vorschrift oder neue technische Möglichkeiten, die auch kleinere Anlagen wirtschaftlich machen, hat Freys Landkreis kaum noch eine Chance auf neue Windräder. „Etwa 60 Prozent unserer Flächen sind Landschaftsschutzgebiet“, erklärt er. Der Artenschutz ist ebenfalls ein K.o.-Kriterium. „Der Teufel steckt im Detail“, sagt Frey. Es gebe für Gemeinden so viele Hürden und Vorgaben, die sie knacken müssen. „Jedes Gutachten und jede Prüfung kostet viel Zeit und Geld.“ In seinem Brandbrief an seinen Parteikollegen Söder schrieb Frey im Dezember: „Wir erhoffen uns eine echte zentrale Hilfestellung vor Ort. Es arbeitet jeder einzelne Vorhabensträger vor sich hin. Die Energiewende vor Ort gelingt so nicht.“
KATRIN WOITSCH
TOBIAS GMACH