Verschoben: Am alten Pfarrheim in Farchant sollte heuer mit dem Bau eines neuen Seniorenprojekts begonnen werden. Daraus wird erst mal nichts. © AKR
München – Die Bürgermeisterin von Anzing (Kreis Ebersberg) ist bedient. 24 preisgünstige Wohnungen sollten auf einem Grundstück der Gemeinde entstehen, der Spatenstich war für September geplant. Doch dann erreichte Kathrin Alte (CSU) die verheerende Nachricht aus München: Die fest eingeplante Förderung, die der Freistaat für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Aussicht stellt, wird nun doch nicht fließen. „Eine richtig üble Geschichte“ sei das alles, sagt Alte. Denn die enormen Münchner Mietpreise schlagen auch auf den Speckgürtel-Landkreis Ebersberg durch. „Ich brauche die Wohnungen!“ Ihr Unverständnis hat die CSU-Kommunalpolitikerin in einem Brief auch ihrem Parteifreund, dem „lieben Christian“ Bernreiter mitgeteilt – Bayerns Bauminister.
Dessen Haus antwortet auf Nachfrage unserer Zeitung kurz angebunden. Für das Jahr 2025 seien nach der aktuellen Haushaltsplanung Rekordmittel in Höhe von rund 1,1 Milliarden Euro für die Wohnraumförderung in Bayern vorgesehen. „Die Verteilung der Bewilligungsmittel und die Bewilligung von Fördervorhaben erfolgt stets aufgrund der Dringlichkeit“, erklärt eine Sprecherin. „Infolge der anhaltend hohen Nachfrage wurden in den Vorjahren Mittel in erheblichem Umfang gebunden. Das bedingt eine gestaffelte Vorgehensweise bei der Bewilligung von einzelnen Wohnbauvorhaben.“ Soll heißen: Derzeit ist dafür kein Geld da. Auf konkrete Fragen, seit wann die Fördertöpfe leer und ob zusätzliche Mittel geplant sind, geht das Ministerium nicht ein.
Dabei brennt das nicht nur in Anzing auf den Nägeln. Im nahen Poing gibt es einen ähnlichen Fall – seit Dezember 2024 gilt dort Baustopp für 130 Wohnungen. Dass die Förderung vom Freistaat plötzlich wegfalle, „das war noch nie der Fall“, sagt Bürgermeister Thomas Stark. In der Stadt Ebersberg müsse der Landkreis wegen des überraschenden Förderstopps sogar in siebenstelliger Höhe selbst einspringen. „Die erste Rechnung in Höhe von knapp 1,2 Millionen Euro liegt bereits vor und kann nicht bezahlt werden!“, steht dazu im Brief an Bernreiter, den auch Landrat Robert Niedergesäß (CSU) unterzeichnet hat. Auch in Fürstenfeldbruck wurden Stadt und Wohnungsbaugesellschaft im Herbst kalt erwischt, als in Aussicht gestellte Fördergelder nicht flossen. In Farchant im Landkreis Garmisch-Partenkirchen muss ein Wohnbauprojekt für Senioren verschoben werden. Auch, ob es 2026 Geld gibt, lässt das Ministerium in einem Schreiben an die dortige Verwaltung offen.
Wie viele Vorhaben nun insgesamt betroffen sind, werde „nicht erfasst“, heißt es aus dem Ministerium. Klar ist aber, dass die von der Staatsregierung als Wohnbau-Booster deklarierten Fördermöglichkeiten schon im vergangenen Jahr vielerorts in Rauch aufgingen. Wie die Antwort des Bauministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Landtag zeigt, gingen 2024 bei den Bewilligungsstellen Förderanträge in Höhe von 1,865 Milliarden Euro ein. Demgegenüber stehen ausgeschüttete Gelder von etwas mehr als 690 Millionen Euro – also in etwa 37 Prozent. Allein von der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft BayernHeim wurde der verfügbare Fördertopf dabei deutlich überzeichnet. Sie reichte Förderanträge in Höhe von mehr als 704 Millionen Euro ein – das entspricht 102 Prozent.
Für die Opposition ist klar: Bayern muss nachlegen. „Wohnungsnot lässt sich nicht aussitzen“, sagt SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer unserer Zeitung. „Das einzige Rezept für diese fatale Situation lautet: mehr Geld.“ Deshalb habe die SPD bei den Haushaltsverhandlungen eine Aufstockung des Etats für die soziale Wohnraumförderung um 438 Millionen Euro sowie einen Wohnungsbaugipfel beantragt. „Der Freistaat darf die Mieter nicht im Stich lassen“, fordert Grießhammer.
Die Grünen schlagen vor, die Finanzierung des staatlichen Wohnbaus mit einem neu aufgelegten Immobilienfonds auf breitere Beine zu stellen, in den auch Privatanleger investieren können. „Staatsregierung und Landtag sind dringend aufgefordert, die Förderkulisse so zu stärken, dass in den nächsten Jahren viele Wohnungen nicht nur geplant, sondern auch gebaut und bezogen werden können“, sagt Jürgen Mistol, Fraktionssprecher für Wohnen.
SEBASTIAN HORSCH
UND JOSEF AMETSBICHLER