Hubschrauber brachten sie nach dem Unglück ins Tal. © Kettner/Imago
„1000 Schutzengel“: Lawinenopfer Timo (r.) mit Kompagnon Nevio in der Murnauer Klinik. © privat
Die zwei Bergsteiger querten am Samstag den Hang der Zugspitze, während der Schnee weiter unten schon von der Sonne angetaut wurde. Am späten Nachmittag löste sich beim Abstieg eine Nassschneelawine. © privat
Ehrwald/Wörthsee – Zwei junge Bergsteiger sind am Samstag auf der Tiroler Seite der Zugspitze an einem Klettersteig von einer Lawine getroffen worden. Einer der beiden wurde 500 Meter in die Tiefe mitgerissen – er wurde verletzt, aber überlebte.
Das Duo ging morgens gegen zehn Uhr in Ehrwald-Obermoos los in Richtung Stopselziehersteig (siehe Grafik Route C). „Das war vielleicht etwas zu spät“, sagt Nevio (18) aus Schweinfurt, der mit seinem Kletterkameraden Timo (23) aus Wörthsee bei Starnberg unterwegs war. „Der Aufstieg war teilweise schneebedeckt, aber wir hatten es bis 14 Uhr auf den Gipfel geschafft und sind dann ganz entspannt wieder abgestiegen.“ An der Ruine der alten Bergstation der Tiroler Zugspitzbahn legten die beiden eine Pause ein. Nach etwa einer Stunde ging es weiter bergab. Die beiden Freunde befanden sich gerade in einer Steinrinne, als Nevio auf einmal ein Krachen über sich hörte. „Plötzlich kam die Lawine. Ich rief Timo zu, er solle ausweichen.“
Das tat Nevio, auch Timo sprang zur Seite – aber nicht weit genug: „Er wurde von der Lawine erfasst. Ich wollte ihn noch festhalten, aber es war zu spät. Die Lawine hat ihn buchstäblich mitgerissen.“ Für Timo ging alles rasend schnell: „Ich wurde durch die ganze Felswand nach unten gezogen und schlug immer wieder mit dem Kopf und dem ganzen Körper gegen Felsen auf“, berichtet er aus der Unfallklinik Murnau, wo er jetzt behandelt wird. Nevio holte per Handy sofort Hilfe und machte sich auf den Weg zu seinem Kameraden: „Es kam noch eine kleinere Lawine, die mir aber nichts anhaben konnte.“ Nevio und der Hubschrauber trafen fast gleichzeitig dort ein, wo Timo liegen geblieben war. „Als Erstes fiel mir ein Stein vom Herzen, als ich sah, dass er sich bewegte“, berichtet Nevio.
Timo überlebte. Sein Sprunggelenk ist wohl gebrochen, auch die Schulter schmerzt. „Ich muss noch geröntgt werden“, erzählt er gestern. Und viele blaue Flecken und Platzwunden hat er auch. „Ich hatte 1000 Schutzengel“, sagt er. Der Tiroler Notarzthubschrauber Martin 2 flog den Verletzten ins Unfallkrankenhaus Murnau, Nevio wurde mit dem Hubschrauber der österreichischen Alpinpolizei ins Tal geflogen.
Auch Riccardo Mizio von der Bergrettung Ehrwald war vor Ort. Er warnt, dass die Bedingungen am Stopselzieher gerade nur schwer vorherzusehen sind. „Ich war schon am Vormittag auf dem Stopselzieher, der Schnee war in den Nordwestlagen noch bretthart, weil er aufgetaut war und es dann wieder gefroren hat.“ An den Nordhängen sei noch Pulverschnee gewesen. Am Nachmittag habe die Sonne den gefrorenen Nassschnee aufgetaut. „Da hatte es wohl zwei Grad plus, aber das konnte man am Morgen vor dem Start nicht vorhersehen.“
JOHANNES WELTE