KOLUMNE ZUM THEMA DEMENZ

Die Einsamen

von Redaktion

Demenz macht einsam. Warum? Die Gründe sind vielfältig. Ein Aspekt ist, dass pflegende Angehörige nach und nach den vertrauten Austausch mit ihrem erkrankten Familienmitglied verlieren. In einer Partnerschaft wird das besonders deutlich. Entscheidungen müssen allein getroffen werden, der gemeinsame Alltag bricht weg. Gespräche verstummen – aus Zweisamkeit wird Einsamkeit.

In unserer Desideria Angehörigen-Community begleiten wir seit einigen Jahren einen Mann, knapp über 60 Jahre. Seine Frau erhielt mit Ende 50 die Diagnose Alzheimer. Die Krankheit schreitet schnell voran. Aus einer Partnerschaft auf Augenhöhe wird mehr und mehr eine Beziehung, die aus dem Gleichgewicht gerät. Während sie Kompetenzen verliert und immer mehr auf ihn angewiesen ist, muss er neue aufbauen und in die Fürsorge-Rolle hineinwachsen. „An schlechten Tagen bin ich verzweifelt darüber, dass ich das Wort nicht mehr an den Menschen richten kann, der sie einmal war“, sagt er. Und nicht nur das quält ihn. Auch das Umfeld trägt dazu bei, dass er weiter vereinsamt. Freunde und Familie ziehen sich zurück. Aus Angst oder Unsicherheit. Weil sie nicht wissen, wie sie mit der veränderten Situation umgehen sollen oder befürchten, etwas Falsches zu machen oder zu sagen.

Die Folgen für ihn und auch andere pflegende Angehörige in ähnlicher Situation: Familien, die sich um einen Menschen mit Demenz kümmern, nehmen immer weniger am gesellschaftlichen Leben teil. Ein stilles Leid.

Was kann man dagegen tun? Auch wenn es den Eindruck erweckt und Menschen mit Pflegeverantwortung die Kraft fehlt, sich aus dieser Situation herauszuholen – niemand sollte und muss in der Pflegesituation allein bleiben. Pflegenden Angehörigen möchte ich Mut machen: Sucht den Austausch mit anderen – zum Beispiel in Online-Angehörigengruppen. Dort gibt es Verständnis, Offenheit und Gemeinschaft. Durch die Zugehörigkeit in der Gruppe erfahren Menschen in ähnlichen Situationen von verschiedenen Möglichkeiten, der Demenz und den Herausforderungen im Alltag zu begegnen. Sie lernen voneinander und stützen sich gegenseitig. Das tut gut und stärkt für den Alltag – ein Hoffnungsschimmer.

Auch wir als Gesellschaft sind gefragt und können ganz einfach zu mehr Teilhabe beitragen. Vor allem eines: dasein. Sich Wissen aneignen, Unsicherheiten überwinden, sich nicht zurückziehen und ganz normal und wertfrei mit Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen umgehen. Unser pflegender Angehöriger drückt es so aus: „Verhaltet euch wie immer.“

*Désirée von Bohlen und Halbach ist Gründerin und Vorstandsvorsitzende des Desideria e.V.

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