Im Badezimmer steht das stinkende Löschwasser.
Alle Kleidungsstücke in den Schränken sind verbrannt.
Die Tierpräparate sind ebenfalls verbrannt.
Die Wegscheiders haben alles verloren. Ihr Haus in Ramsau ist komplett ausgebrannt. © Kilian Pfeiffer (4)
Ramsau – Florian Wegscheider steht vor der Ruine, die einmal sein Haus war. „Es ist, als ob jemand unser ganzes Leben gelöscht hätte“, sagt er. In der Luft liegt noch immer der beißende Geruch von verbranntem Holz. Obwohl es schon über eine Woche her ist, dass das Haus in Flammen stand. Das Feuer war nachmittags in der Garage ausgebrochen. Innerhalb von Minuten stand auch das Wohnhaus in Flammen. Florian Wegscheider, seine Frau Catharina, seine Kinder Beni und Laura und seine Mutter Monika konnten sich unverletzt ins Freie retten. Doch sie haben alles verloren – Erinnerungen, Dokumente, Wertgegenstände. Sie haben keine Ahnung, wie es weitergehen soll, keine Ersparnisse – und keinen Versicherungsschutz.
Im Haus stinkt es nach Ruß und nach der schwarzen Lache aus Löschwasser. Noch vor zwei Wochen stand das 1954 gebaute Haus malerisch vor der Bergkulisse in Ramsau. Jetzt ist es nur noch eine Ruine. In den Schränken hängen verkohlte Kleidungsstücke, im Spülbecken in der Küche stapelt sich Geschirr, alles ist mit einer dicken Ascheschicht überzogen. Monika Wegscheider hatte das Erdgeschoss des Hauses bewohnt, ihr Sohn mit seiner Familie das Obergeschoss. Das Haus war ihr Rückzugsort, ihre Heimat.
Florian Wegscheider betreibt einen Hausmeisterservice. In der Garage hatte der 46-Jährige sein Lager eingerichtet. Vermutlich hatte ein Kabelbrand die Werkbank in Brand gesetzt. All die teuren Maschinen und Werkzeuge wurden von den Flammen zerstört. Catharina Wegscheider bemerkte das Feuer als Erste. Sie will die Flammen noch löschen, doch es ist bereits zu spät. Die Hitze schlägt ihr ins Gesicht und sie weiß: „Wir müssen hier raus.“ Sie rettet sich durch ein Küchenfenster. Die Flammen fressen sich durch das hölzerne Gebälk, zerstören Spielsachen, Möbel, Erinnerungen. Der Feuerwehr gelingt es nicht, das Obergeschoss noch zu retten. Florian Wegscheiders Mutter Monika rettet sich durch ein Küchenfenster ins Freie. Auch die Kinder flüchten unverletzt nach draußen.
Anderthalb Wochen nach dem Brand türmt sich im Hof das verkohlte Dachstuhlholz. Die Mülltonnen sind durch die Hitze geschmolzen. Vom einstigen Dachboden ist nur noch die verkohlte Räucherkammer zu erkennen – früher hing hier der Speck. Florian Wegscheider ist leidenschaftlicher Jäger. Mehr als 300 Trophäen – Geweihe, Schädel, präparierte Tiere – waren im Haus verteilt. Auch sie sind verbrannt. Genau wie Urkunden, Papiere, Rechnungen. Auch die 7600 Euro Bargeld, die der 46-Jährige im Haus aufbewahrte, sind nur noch Asche. Dabei braucht er nun jeden Euro. „Im Haus war alles, was wir uns in 20 Jahren aufgebaut haben. Und jetzt? Wir stehen vor dem absoluten Nichts.“
Das große Problem: Es gibt keine Versicherung. Keine Hausratversicherung, keine Gebäudeversicherung – die ist seit 1994 keine Pflicht mehr. Die Familie steht nun vor dem wirtschaftlichen Ruin. Das Wohngebäude gehört Florian Wegscheiders Vater, der es seinem Sohn vermietet hatte. Nun hat der 46-Jährige Bürgergeld beantragt. Außerdem telefonierte er mit dem Landratsamt, mit Hilfsorganisationen. Die Familie bekam bereits Spenden, Gutscheine, Kleidung. Von Freunden konnten die Wegscheiders 2000 Euro leihen. Ein Anfang. Mittlerweile haben ihre Freunde eine Spendenkampagne auf GoFundMe für sie gestartet (https://www.gofundme.com/f/hausbrand-in-ramsau-familie-wegscheider-braucht-hilfe). Florian Wegscheider schätzt den Schaden samt Inventar auf einen mittleren sechsstelligen Betrag.
Seit dem Brand lebt die Familie im Hotel Hindenburglinde. Der Besitzer Richard Resch hat den Wegscheiders diese Hilfe angeboten, bis Ostern die Urlaubssaison beginnt. Dann sind alle Zimmer ausgebucht. Wo sie dann schlafen können, wissen die Wegscheiders noch nicht. „Wir versuchen stark zu bleiben“, sagt Catharina Wegscheider. „Man funktioniert. Aber innerlich herrscht Leere.“
Die Familie vermisst ihr Zuhause – und alles, was man mit Geld nicht ersetzen kann. Jeden Tag fährt Florian Wegscheider vom Hotel zur Brandstelle, in der Hoffnung, noch etwas Unversehrtes zu finden. Beim Abschied blickt er ein letztes Mal auf die Ruine. Und hofft – auf einen Neuanfang.