DAS PORTRÄT

Die Hüterin des Tante-Emma-Ladens

von Redaktion

Silvia Stadler aus Gräfelfing. © Walter Weiss

Radiergummis, Zeitschriften, Lose, Tabak und Süßigkeiten: Silvia Stadler versorgt die Germeringer mit den kleinen, aber wichtigen Dingen des Alltags. Seit 15 Jahren führt sie ihren Schreibwarenladen, und auch wenn die Konkurrenz durch Drogeriemärkte und Internet wächst: Die 60-Jährige war immer selbstständig und macht weiter.

Ein ganz normaler Morgen in dem kleinen Laden sieht ungefähr so aus: Zwei Jungs kaufen je eine Pokemonkarte.. Ein paar Minuten später holt sich ein älterer Herr Minen für seinen Kugelschreiber. Nach ihm drückt ein Mann ein Los in Stadlers Hand und gewinnt 15 Euro. Seit August 2010 hat die Gräfelfingerin den Laden gepachtet, zuvor hatte sie jahrelang zwei Schulmensen in Planegg betrieben. „Ich war schon immer selbstständig“, sagt sie. Sie steht selbst im Geschäft, nur dienstagsnachmittags hilft jemand aus. Dann arbeitet sie in der Geschäftsstelle der DJK Würmtal in Planegg.

Der Großteil ihres Lebens spielt sich auf 65 Quadratmetern an der Hörwegstraße ab. „Das Häuschen steht schon ewig“, sagt Stadler. Laut Stadtarchiv entstand es um 1960, vier Jahre später eröffnete Ottilie Hohenschild dort einen Schreibwarenladen und einen Farbenhandel. Er ist heute der älteste bestehende Schreibwarenladen in Germering. Stadler bringt alles an einer Wand unter: Schnellhefter, Pappe, Ösenhefter, Zeichenblöcke und Lineale. In einem alten Apothekerschrank lagert sie Bürobedarf: Klebefolie, Büroklammern, Mietverträge und sogar Tortenspitzen. Zum Schulanfang geben die Schüler ihre Listen ab und sie richtet alles her. Im vergangenen Schuljahr hat sie mit einem Sackkarren die Schreibwaren rüber in die gegenüber liegende Ellis-Kaut-Schule gefahren.

Der Laden läuft. Trotzdem bleibe mit steigender Miete und Energiekosten immer weniger vom Gewinn übrig. „Ich kann meine Nebenkosten nicht auf meine Produkte umschlagen“, sagt Stadler. „Fünf Euro für einen Bleistift, das zahlt keiner.“ Mit einem Drogeriemarkt könne sie nicht mithalten, das Internet mache es nicht einfacher. „Ich bestelle nie online“, sagt sie. „Was ich brauche, kriege ich am Ort.“ Das Geld sitze bei den Kunden einfach nicht mehr so locker, deswegen steht heute nur noch ein Zeitschriftenregal im Laden.

Neben den vielen Stammkunden schauen auch immer viele Schüler von der Ellis-Kaut-Schule vorbei. Und jetzt vielleicht auch Arbeiter von der Baustelle gegenüber. Die Schule wird in den nächsten Jahren erweitert. Ein Mann mit Helm und Stahlkappenschuhen kommt in den Laden und fragt: „Haben Sie auch Getränke?“ Natürlich! „Alles, was hier ist, habe ich auch im Kühlschrank“, sagt Stadler.
CARINA OTTILLINGER

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