Undercover im Seniorenheim

von Redaktion

Pflegerin ermittelt heimlich und zeigt drei Einrichtungen in Oberbayern an – ein Haus wehrt sich

Miesbach/München – Ein Senioren-Wohnheim im südlichen Oberbayern wehrt sich. Gegen eine professionelle Pflegerin, die angeblich Missstände in der Einrichtung aufgedeckt und die Leitung des Hauses angezeigt hat. In einem Vortrag, der auch auf YouTube zu sehen ist, spricht sie über die „Hölle auf Erden“ sowie „menschenunwürdige“ Verhältnisse. Das Altenheim erhob eine Unterlassungsklage gegen die Frau. Jetzt wurde vor dem Landgericht MünchenII verhandelt.

Mit der Klage will das Seniorenheim der Frau verbieten lassen, ihre Behauptungen weiter zu unterbreiten. Ein schwieriges Unterfangen, hat diese doch ein Buch geschrieben, das bislang aber nur an 30 bis 40 Interessierte verteilt wurde und noch nicht offiziell erschienen ist.

Doch der Frau geht es um mehr als nur das Anprangern der Verhältnisse in dem bayerischen Heim. Sie will allgemein gegen die Probleme in Altenheimen vorgehen. Deshalb hat sie auch gleich gegen 14 Häuser in Deutschland Strafanzeige wegen Tötung, Betrug, Nötigung und freiheitsentziehende Maßnahmen erstattet. Drei der angezeigten Einrichtungen befinden sich im südlichen Oberbayern. „Wie können wir das lösen?“, fragte die Beklagte vor Gericht in die Runde. „Man kann sich zusammentun und eröffnet ein Reha-Zentrum“, schlug sie vor, entfernte sich damit aber weit von der eigentlichen Klage.

„Wir können jetzt nicht die ganz große Lösung für die Pflege-Industrie finden“, schaltete sich der Vorsitzende Richter Oliver Ottman ein. Dass Missstände vorlägen, sei weit verbreitet. „Aber das sind gesellschaftspolitische Fragen“, fügte er hinzu. Rasch analysierte er das wirkliche Anliegen der Frau. „Sie haben 14 Heime undercover untersucht, es geht Ihnen gar nicht um dieses eine Heim“, sagte der Richter im Hinblick auf den Kläger. Damit lägen beide Seiten eigentlich gar nicht so weit auseinander, hoffte er, die Streitenden in einem Vergleich zu einigen. Doch das gelang ihm trotz einer längeren Beratungspause nicht. „Gewisse Aussagen sind falsch“, schaltete sich der Anwalt des Seniorenheims ein. „In meinem Buch ist nichts falsch“, hielt die Pflegerin dagegen. Einen Monat hatte sie als Pflegekraft in dem Altenheim des Klägers gearbeitet und dabei aus ihrer Sicht untragbare Zustände – zum Beispiel bei der Medikamenten-Ausgabe – festgestellt. Der Klage-Anwalt hielt ihr einen fehlenden Bildbeweis vor und er wagte es auch zu behaupten, dass sie vielleicht selber die Missstände verursacht hatte und dadurch mitverantwortlich war. „Sie waren dort im Einsatz“, sagte er.

Dieser Vorwurf verärgerte die Pflegerin. Neben den Missständen prangerte sie nun auch die übertriebene Werbung an. Da würde Interessierten ein falscher Eindruck vermittelt. Und das sei strafbar, behauptete sie. Näheres steht angeblich in ihrem Buch. Die Staatsanwaltschaft München II klärt gerade in einem Vor-Ermittlungsverfahren, ob sich tatsächlich Anhaltspunkte für die Vorwürfe ergeben. Mitte Juni will der Richter eine Entscheidung treffen.
ANGELA WALSER

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