Vernarrt in die Zauber-Stifte

von Redaktion

Warum „Legami“ heiße Ware auf Bayerns Schulhöfen ist

Wolfgang Köglmayr vor seinem Laden in Murnau. © Wilz

Schreibenlernen mit magischen Gelstiften: Julius (5) und Ella (7) aus München zeigen ihre Legami-Sammlung. © Marcus Schlaf

München – Ein Schreibwarengeschäft in München. Eine Mutter mit einer Tochter im Grundschulalter betritt den Laden, beide mit suchendem Blick. „Nein, ich hab keine“, sagt der Verkäufer – so, wie er klingt, nicht zum ersten Mal. Er ahnt nämlich schon, worum es hier geht: um Stifte, ganz besondere Stifte der italienischen Marke Legami. Die Gelschreiber zieren Tierköpfe und die Schrift ist radierbar. Kinder lieben sie so sehr, dass manchen Läden der Nachschub ausgeht. Wolfgang Köglmayr ist das bisher noch nicht passiert in seinem Schreibwarengeschäft in Murnau im Kreis Garmisch-Partenkirchen. Aber er bestätigt, dass der Hype keine Großstadtsache ist: „Da halten wir locker mit“, sagt Köglmayr. Täglich verkauft er Legami-Stifte, und zwar an alle Altersgruppen. „Kinder, Jugendliche, Eltern, Großeltern“, sagt er.

Vor allem Grundschüler sind verrückt nach den Tierstiften. Wer in der Klasse hat wie viele? Wer hat den äußerst seltenen grauen Stift mit dem Koalaköpfchen? Es kommt zu Dramen und Tränen, wenn getauscht wird und ein Kind am Ende doch lieber wieder den Schmetterling statt dem Bärchen hätte. Oder wenn – diese Geschichte erzählt eine Mutter im Internet – gar ein Stift aus dem Mapperl geklaut wird. Es gibt auch Erwachsene (nicht wenige), die die Stifte sammeln. „Die sind toll“, sagt ein Buchhändler in der Münchner Innenstadt und bekennt sich zum Sammeln. Manche kaufen gezielt, weil bestimmte Exemplare im Internet zu Mondpreisen verschachert werden. Sieben Stück aus der Weihnachtsedition, unbenutzt, für 125 Euro. Der Koala für knapp 30 Euro. Im Laden kostet ein Stift zwischen zwei und drei Euro. Was steckt hinter dem Trend?

Zum Einen sehen die Stifte mit den Tierkappen niedlich aus. Jeder schreibt in einer anderen Farbe, die Minen sind nachfüllbar. Zu jedem Tier gibt es einen netten, passenden Spruch: „Always cool“ beim Pinguin, „Believe in Magic“ beim Einhorn, „Head in the clouds“ bei der Giraffe. Und am anderen Ende des Stifts ist eine Art Radiergummi angebracht: Durch die Reibung entsteht Hitze und die lässt die Schrift verschwinden. Das gibt es zwar auch von anderen Herstellern, aber nur bei Legami ist der Sammelsucht-Faktor gewaltig, befeuert durch eigene Werbekampagnen auf Instagram und Tiktok. „Die verspielten Designs und der praktische Nutzen fördern eine gewisse Sammelleidenschaft“ – so erklärt man sich bei Hugendubel den großen Erfolg.

Legami gibt es seit 2003, die Firma sitzt in einem kleinen Ort bei Bergamo, und dahinter stecken im Wesentlichen der Firmengründer und ein Fonds. Presseanfragen bleiben meist unbeantwortet, dem öffentlichen Nachhaltigkeitsbericht 2023 zufolge stieg der Umsatz von 76 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 143 Millionen Euro in 2023. Legami-Artikel, und dazu gehört neben den Stiften ein kunterbuntes Sortiment aus Socken, Mäppchen, USB-Sticks und Anti-Stress-Knautsch-Kackhaufen in Regenbogenfarben, gibt es in 70 Ländern zu kaufen. Die Kinder wollen vor allem die Stifte. „Wir warten auf Nachschub“, sagt die Verkäuferin in einem Papeterie-Laden in den Riem Arcaden in München. „Die schicken uns nur noch das andere Zeug“, seufzt sie. Den ganzen Tag über kommen Kinder mit ihrem Taschengeld und gehen oft enttäuscht – ohne Stift. Sogar Hugendubel berichtet von „temporären Engpässen“ bei limitierten Serien. Die gibt es etwa zu Weihnachten oder Ostern. Hugendubel hat Legami seit zehn Jahren im Sortiment, zuletzt wurde das aber „sukzessive ausgebaut und auf viele weitere Standorte erweitert“, sagt eine Sprecherin. Die Umsätze steigerten sich so in den letzten Jahren dreistellig.

Der Sammelwahnsinn ist so gewaltig, dass manche Lehrkräfte Regeln aufstellen – falls sie die Stifte überhaupt im Schulalltag zulassen. Eine Grundschullehrerin aus Oberbayern sagt: „Meine Schüler dürfen damit keine Proben schreiben, weil sich die Schrift bei Hitze auflöst.“ In anderen Klassen dürfen die Schüler maximal einen Stift dabeihaben. Schließlich gibt es Kinder, die zu wenig Taschengeld für eine ganze Handvoll Legami-Stifte haben.
CARINA ZIMNIOK

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