Streit ums Eis: Mörderin mit 90?

von Redaktion

Seniorin soll eine Freundin mit einer Kasserolle erschlagen haben

Richterin Elisabeth Ehrl will das Urteil am 23. Mai fällen.

Die 90-jährige Angeklagte, vor einem Jahr noch gut zu Fuß, kam im Rollstuhl und versteckte sich hinter einem Aktenordner

München – Sie räumte ungeschickt eine Kühltasche mit dem Supermarkt-Einkauf leer – darunter das heiß begehrte Magnum-Eis –, betätigte den Wasserhahn und verursachte dadurch eine kleine Überschwemmung in der Küche der Angeklagten. Das war laut Anklage das Todesurteil für Lilian B. Ihre Freundin Brigitte W. (90) bekam aufgrund des angerichteten Chaos einen solchen Wutanfall, dass sie nach einem Austausch von Ohrfeigen und Schubsereien die 77-Jährige letztlich erschlug. Mit einer Kasserolle, Durchmesser 17 Zentimeter. Auch als B. schon am Boden lag, schlug W. noch auf sie ein, schreibt die Staatsanwaltschaft in der Anklage. Die beiden Frauen waren mehr als 40 Jahre lang Freundinnen. Nun ist Brigitte W. vor dem Landgericht München wegen Mordes angeklagt.

Die Seniorin schweigt zu der Tat. Doch im Laufe der Beweisaufnahme wird klar, dass sie nicht die emotionslose graue Wölfin ist, als die sie in den Gerichtssaal rollt. Sie schluckt, als die Staatsanwältin die tödlichen Schläge verliest, schüttelt kaum merklich, nur vor sich selbst, den Kopf. Ein Polizist berichtet später, W. habe bei der Festnahme gezittert, geäußert, sie wisse überhaupt nicht, wie sie mit dem Ganzen umgehen solle und dass sie sich vor einen Lkw werfen wollte. Zwei Tage lang habe sie sich nicht getraut, den Notruf zu wählen, es dann doch geschafft – die Polizei fand ihre Freundin nackt und mit einem Tuch bedeckt, bereits mit deutlichen Verfärbungen, in der winzigen Küche von W.s Ein-Zimmer-Apartment im Hasenbergl.

Vor allem aber nimmt Brigitte W.s Notruf mit. Er wird im Gerichtssaal vorgespielt. „Meine Freundin und ich hatten einen Streit, der leider schlecht ausgegangen ist“, klingt es vom Band, „sie hat mich geschlagen und ich sie. Da ist sie gestorben.“ Doch kurz darauf kippt sie in eine andere Realität ab: Nach dem Streit habe die Freundin „auf dem Küchenboden schlafen wollen, weil es da kühl ist. Ich habe ihr eine Decke gegeben.“ Erst als sie so lange „nicht aufgestanden ist, habe ich gemerkt, dass sie tot ist.“ Zwischendurch verfällt W. in Schluchzen. Es bleibt unklar, ob sie Verantwortung für die Tat verspürt.

Ihr Verteidiger Johannes Makepeace ist sich noch nicht sicher, worauf er plädieren will. „Einen anderen Täter zaubern wir sicher nicht aus dem Hut“, sagt er, „aber Mord war es nicht. Von dort zum anderen Ende des möglichen Tatbestands, Körperverletzung mit Todesfolge, gibt es einige Möglichkeiten. Es muss geklärt werden, ob überhaupt ein Vorsatz zur Tötung bestand. Auch die vaskuläre Demenz von Frau W. und ihr Alter müssen berücksichtigt werden.“

Haftfähig ist die Angeklagte zumindest. Sie sitzt seit der Tat im Juli 2024 in der Frauenabteilung in Stadelheim.

Zehn Verhandlungstage sind anberaumt. Am ersten davon machte es sich Verteidiger Makepeace zunächst zur Aufgabe, Verfahrensfehler zu bemängeln. Seine Mandantin sei bei der Polizeivernehmung nicht ordentlich über ihr Recht zu schweigen aufgeklärt worden und es sei ihr nicht ernsthaft ein Pflichtverteidiger angeboten worden, kritisierte er. Ihre Vernehmung sei daher nicht verwertbar.

Die Staatsanwaltschaft folgte dem nicht; eine erste Entscheidung der Vorsitzenden Richterin Elisabeth Ehrl steht also schon aus. Das endgültige Urteil soll am 23. Mai fallen.
ISABEL WINKLBAUER

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