Der Mann für den Maibaum-TÜV

von Redaktion

Unterwegs mit Wolfgang Weigl, der Bayerns berühmte Stangerl abklopft – in luftiger Höhe

Schon durch das Geräusch beim Abklopfen mit dem Hammer kann Wolfgang Weigl Nässe im Stamm erkennen. © Daschner

Fürstenfeldbruck – Höhenangst darf Wolfgang Weigl nicht haben. Mit einer Hebebühne geht‘s bis ganz rauf an die Spitze des Maibaums im Adelshofener Ortsteil Nassenhausen im Landkreis Fürstenfeldbruck. Rund 25 Meter misst der Stamm, der seit zwei Jahren steht – und ist damit längst nicht der höchste, den Weigl prüfen musste. „Ich war schon auf 45 Metern“, erzählt der 65-jährige Zimmermeister im Ruhestand. Der höchste Baum, den er kennt? „Der in Aying misst manchmal fast 50 Meter“, erzählt Weigl. „Aber da ist ein anderer Prüfer zuständig.“

Dass die Traditionsstangerl auf ihre Standfestigkeit geprüft werden, ist noch nicht immer so – und hat einen tragischen Hintergrund. „Anfang der 1990er-Jahre ist es zu zwei schweren Unfällen mit umgestürzten Bäumen gekommen – einer davon endete tödlich“, berichtet Weigl. Die Bayerische Versicherungskammer forderte daraufhin die Maibaumprüfung und beauftragte seinerzeit die erfahrensten Fachkräfte aus dem Zimmererhandwerk.

Einer davon ist Weigl, der bei der Fahrt auf der Hebebühne nach oben den Baum mit einem Hammer abklopft. „Man kann schon am Geräusch hören, ob es im Stamm Bereiche mit erhöhter Feuchtigkeit gibt“, erklärt der Adelshofener. Nässe ist der größte Feind des Maibaums. Darum prüft Weigl auch die Risse im Baum. Kurioserweise sind die breiten weniger problematisch. „Da kann der Wind eindringen und die Feuchtenester trocknen“, erklärt er. In Haarrissen staut sich hingegen die Feuchtigkeit, und Pilze können sich am Stamm bilden und eine Fäulnis bewirken.

Rund ein Dutzend Bäume prüft Weigl jedes Jahr im oberbayerischen Raum. Und das macht ihm Spaß. „Den Tag kann ich mir aussuchen“, sagt er – und wählt natürlich Tage mit Sonnenschein. „Dann hat man von da oben einen tollen Ausblick.“ Und: „Man hat immer mit netten Menschen zu tun.“ Gemeint sind die Vertreter der Vereine, die den Maibaum aufstellen.

Geprüft wird regelmäßig von verschiedenen Prüfern: Nach einem Jahr Standzeit reicht ein Holzsachkundiger wie ein Zimmerer, Schreiner oder Holzschutzfachmann. Nach zwei Jahren muss der Prüfende durch einen Seminarbesuch die sogenannte kleine Befähigung nachweisen. Ab drei Jahren muss er die große Befähigung haben. Und länger als fünf Jahre darf ein Maibaum ohnehin nur mit besonderer Begründung stehen bleiben – „wenn zum Beispiel ein Gemeindejubiläum stattfindet und der Baum deshalb ein halbes Jahr länger stehen soll“, sagt Weigl.

Nach dem Abklopfen mit dem Hammer greift der Sachverständige zu einer Diode. Mit deren Hilfe kann er die konkrete Feuchtigkeit im Stamm messen. „15 Prozent Feuchtigkeit ist ein Traumwert, bis gut 20 Prozent ist auch alles in Ordnung“, sagt er. Will er noch tiefer in den Stamm schauen, macht Weigl eine Kernbohrung. Dann kann er anhand der Helligkeit des Bohrkerns erkennen, wie tief eine eventuelle Fäulnis geht. Je dunkler das Bohrmehl, desto feuchter ist dieser Bereich.

Geprüft wird auch die sogenannte Einspannung, also das Metallgestell, das den Baum hält. Etwa mannshoch sollte es sein, damit es die enormen Hebelkräfte aushält, die durch den Wind entstehen, die den Baum angreifen. Der Klimawandel tut hier sein Übriges. „Die Starkwinde nehmen immer mehr zu“, sagt Weigl. Und damit auch die Kräfte, die auf die Einspannung wirken.

Kein Wunder, dass die stählernen U-Profile extrem massiv sind. Mit dem bis zu 2,50 Meter in den Boden reichenden Betonfundament wiegt das Ganze rund 20 Tonnen. Wichtig ist Weigl auch: Der Stamm sollte so eingespannt werden, dass zwischen Boden und Holz – idealerweise durch spezielle Abstandshalter auch zwischen U-Profil und Stamm – ein wenig Luft bleibt, sodass der Wind durchpfeifen und diesen Bereich trocken halten kann.

Mit dem Stamm in Nassenhausen ist Weigl sehr zufrieden: Die Diode zeigt eine Feuchtigkeit von 15,2 Prozent – Idealwert. Die Maibaumtaferl sind gut verankert. Die Durchlüftung der Einspannung ist vorbildlich. Und auch die Farbe des weiß-blau gestreiften Stammes sei perfekt geeignet, da sie sehr diffusionsoffen ist, das heißt: Feuchtigkeit auch wieder austreten lässt. Fazit des Maibaum-Experten: Der Baum darf stehen bleiben – mindestens bis zur nächsten Prüfung.
ANDREAS DASCHNER

Artikel 1 von 11