Bald in München: Die Gondel des Bürgerwindrads in Selbitz wandert bald ins Deutsche Museum. © Pia Bayer/dpa
Das älteste Bürgerwindrad Bayerns wird zum Museumsexponat. Die Anlage aus Selbitz im Landkreis Hof wird abgebaut und nach München ins Deutsche Museum gebracht. Ab 2028 sollen Teile des Windrades in der Dauerausstellung „Energie – Strom“ zu sehen sein, wie Museumssprecher Gerrit Faust der dpa mitteilte. Nach einer Generalsanierung werde in drei Jahren der zweite Teil des Ausstellungsgebäudes mit neuen Ausstellungen wieder eröffnet.
Wolfgang Degelmann, Kreisgeschäftsführer des Bund Naturschutz (BN) in Hof, bezeichnet das Windrad aus Selbitz als sein „Baby“. 1995 sei es aufgebaut und 1996 in Betrieb genommen worden. Inzwischen gebe es in Bayerns nordöstlichstem Landkreis 113 Windräder – mehr als in jedem anderen Landkreis im Freistaat, sagt Degelmann: „Wir sind im Landkreis Hof schon sehr früh in die Energiewende eingestiegen.“
Das habe einen ernsten Hintergrund gehabt, erzählt der Naturschützer: „Unsere Region hatte die schlechteste Luft in Bayern.“ Aus drei Richtungen seien Abgase gekommen: aus den Kohleabbaugebieten im nahe gelegenen tschechischen Egergraben, dem Ruhrgebiet und von den Leunawerken in der Nähe von Halle an der Saale, die einst das größte Chemiewerk der DDR waren. In der Region Hof habe es damals auffallend viele Fälle von Pseudokrupp gegeben, einer meist bei Babys und Kleinkindern auftretenden Entzündung der oberen Atemwege.
Um saubere Energie vor Ort zu produzieren, wollte der BN ein Windrad bauen. Doch woher sollte man das Geld nehmen? Der Verein setzte ein Bürgerbeteiligungsmodell auf: Menschen aus der Region konnten jeweils zwischen 1000 und 20 000 D-Mark in die Finanzierung der Windkraftanlage investieren und wurden im Gegenzug an den Erträgen beteiligt. So kamen 350 000 Mark Eigenkapital zusammen. Der Freistaat Bayern steuerte einen Zuschuss in Höhe von 100 000 Mark bei, weitere 900 000 Mark nahm der BN als Kredit auf.
„WIr haben damals die Leute mitgenommen und bewiesen, dass der Ausbau erneuerbarer Energien mit Bürgerbeteiligung funktioniert“, zieht Degelmann ein positives Fazit. Inzwischen gebe es mehr als 1000 Windräder, die in Bayern grünen Strom produzieren. Trotz guter Renditen für Einleger habe sich das Modell der Bürgerbeteiligung bei erneuerbaren Energiequellen jedoch bisher nicht durchgesetzt, sagt Degelmann: Die meisten Windräder in Bayern befänden sich in den Händen von Unternehmen und nicht der Menschen vor Ort.
In der künftigen Ausstellung „Energie – Strom“ im Deutschen Museum werde nicht das ganze Windrad zu sehen sein, sondern nur die Gondel (Maschinenhaus), sagte Sprecher Gerrit Faust. „Und man kann sogar hineinschauen, damit die Funktionsweise der Windkraftanlage besser erklärt werden kann.“ Außerdem solle in der Ausstellung die Idee des Bürgerwindrads vorgestellt werden. Das Team des Deutschen Museums freue sich sehr auf das Windrad, betont Faust: „Wir bekamen am Ende nicht nur ein Objekt in der richtigen Größe, sondern auch eins mit einer spannenden Geschichte.“
PHILIPP DEMLING