In der Oettinger Innenstadt sieht man das historische Nebeneinander der beiden Konfessionen. Auf der rechten und katholischen Seite stehen die Fachwerkhäuser, auf der linken und evangelischen Seite die barockisierten Giebel. © Werner Rensing
München – Jetzt ist es amtlich: In Marktschorgast ist Mariä Himmelfahrt kein Feiertag mehr. Das hat sich schon abgezeichnet. „Schließlich hatten wir viele Kirchenaustritte bei den Katholiken, wohl auch wegen der Missbrauchsvorfälle“, sagt Bürgermeister Marc Benker (CSU). „Das haben wir im Rathaus deutlich gespürt.“ Denn die Bürger müssen dafür ins Einwohnermeldeamt kommen. „Wir hatten genug Zeit, um uns darauf vorzubereiten.“ Trotzdem war Benker enttäuscht, als er das offizielle Schreiben in der Hand hielt: „Es ist bedauerlich.“
Marktschorgast mit rund 1300 Einwohnern gehört neben dem ebenfalls oberfränkischen Seßlach zu den beiden Gemeinden in Bayern, in denen ab diesem Jahr Mariä Himmelfahrt kein Feiertag mehr ist. Zugleich wird der 15. August in Marktrodach in Oberfranken, in den mittelfränkischen Gemeinden Baiersdorf und Weisendorf, in Schwebheim in Unterfranken, im schwäbischen Memmingerberg sowie Oettingen in Bayern zum gesetzlichen Feiertag. Dies teilte das bayerische Innenministerium mit. Hintergrund für die Änderungen ist das Ergebnis des Zensus 2022 als letzte Volkszählung. Das Bayerische Feiertagsgesetz legt fest, dass Mariä Himmelfahrt nur in Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung ein gesetzlicher Feiertag ist. Ausschlaggebend ist hier nur der „Vergleich der Mitgliederzahl der römisch-katholischen und der evangelisch-lutherischen Kirche in der jeweiligen Gemeinde“, erklärt eine Ministeriums-Sprecherin. In Marktschorgast etwa zählte man nun 557 Protestanten und 506 Katholiken. Beim Zensus 2011 waren es noch 676 Katholiken und 596 Protestanten.
Es geht hier also oft um knappe Mehrheiten. Und klingt wie eine Posse. Doch etwa für die Stadt Baiersdorf war es eine regelrechte Achterbahnfahrt. „Wir hatten den 15. August schon mal als Feiertag“, sagt Bürgermeisterin Eva Ehrhardt-Odörfer (SPD). „2014 ist er weggefallen.“ Als Folge der Volkszählung von 2011. „Damals gab es 53 Protestanten mehr im Vergleich zu den Katholiken.“ Dies führte zu einem Einkaufstourismus. Bewohner aus umliegenden katholischen Gemeinden strömten zum Feiertags-Shopping ins protestantische Baiersdorf, das Bewohner als „schärfste Stadt Deutschlands“ bezeichnen – weil hier der Meerrettich-Marktführer Schamel sitzt. „Deshalb sind die Beschäftigten im Einzelhandel froh, wenn der Feiertag wieder kommt.“ Die 900 örtlichen Betriebe hätten nun Planungssicherheit.
Thomas Heydecker (SPD), Bürgermeister von Oettingen, vermutet, dass das Echo bei den Arbeitgebern zwiegespalten ausfällt. Er erinnert an die Diskussion, die kürzlich entbrannte, nachdem Wirtschaftsexperten dazu rieten, einen Feiertag abzuschaffen, um Wirtschaftsleistung und Steuereinnahmen zu erhöhen. Aber: „Vielleicht steigert der zusätzliche Feiertag die Attraktivität der Oettinger Firmen.“ Schon jetzt verzeichne die Stadt mehr Einpendler, die zum Arbeiten nach Oettingen kommen, als Auspendler. Und in der Himmelfahrts-Frage ist für Arbeitnehmer nicht der Wohnort entscheidend: „Die Festlegung eines Feiertages wirkt sich am regelmäßigen Arbeitsort der Beschäftigten aus“, sagt eine Ministeriums-Sprecherin. Zur bekanntesten Firma der Stadt gehört die Oettinger Brauerei, die nun einen Produktionstag weniger hat. „Mich freut es für die Leute“, sagt Heydecker. In der Bierstadt fiel das Ergebnis übrigens hauchdünn aus: 1895 Bewohner sind katholisch, 1889 evangelisch. Sechs Personen machten hier den Unterschied.
In Seßlach nimmt man es derweil gelassen, dass an Mariä Himmelfahrt nun gearbeitet werden muss. „Wir haben wegen der vielen Kirchenaustritte lange damit gerechnet“, sagt Kämmerin Melina Hartung. Die Stadt war die letzte im Landkreis Coburg, in der der 15. August noch Feiertag war. Trotzdem sagt Hartung: „Es ist kein Weltuntergang.“
MARLENE KADACH